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 Augustine Onyema berichtet, wie Polizisten ihm den Nacken verletzten. Der Nigerianer hat immer noch Schmerzen.

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Nach Besetzung der nigerianischen Botschaft: Flüchtlinge klagen Berliner Polizei an

Am 15. Oktober wurden in Berlin 25 Aktivisten verhaftet. Schon kurz danach gab es erste Anzeigen gegen Beamte. Jetzt melden sich weitere Demonstranten zu Wort und berichten von Misshandlungen.

Es sind schwere Vorwürfe gegen Berliner Polizisten: „Ich war der letzte, den die Polizei aus dem Wagen in die Wache brachte. Ich habe keinen Widerstand geleistet. Ein Polizist hat einfach angefangen, mich im Nacken zu schubsen und auf den Kopf zu schlagen.  Dann kamen immer mehr Polizisten hinzu, schubsten und zogen heftig an mir, vor allem am linken Arm", sagt Augustine Onyema aus Nigeria auf englisch: "Ich habe versucht, das Gleichgewicht zu halten, stürzte aber zu Boden." Dann habe die ganze Gruppe Polizisten auf ihn eingetreten. Und mit Schlagstöcken traktiert. Er habe noch immer, fast einen Monat später, starke Schmerzen in der Schulter. Beamte hätten seinen Nacken schwer verletzt, sagt er. Onyema sitzt am Freitag in einem der größeren Zelte im Flüchtlingscamps am Oranienplatz in Kreuzberg - und berichtet, was ihm am 15. Oktober in Polizeigewahrsam zugestoßen sei, nachdem er an der Besetzung der Botschaft Nigerias beteiligt gewesen war. Zwei weitere Flüchtlinge, die gemeinsam mit ihm demonstriert hatten, werden gleich ähnliche Geschichten erzählen. Zu der Pressekonferenz hat die Opferberatung Reach Out eingeladen hatte.

Im Camp am Oranienplatz leben Flüchtlinge, die gegen Asylpolitik demonstrieren. Begonnen hatten die Proteste gegen das Asylrecht im September mit einem Flüchtlingsmarsch von Würzburg nach Berlin. Danach gab es viele weitere Demonstrationen, etwa am Brandenburger Tor, wo einige Flüchtlinge in Hungerstreik getreten waren. Am Donnerstagabend etwa marschierten unangemeldet 100 Demonstranten vom Oranienplatz zum Moritzplatz, teilte die Polizei am Freitag mit.

Hatef Soltani war bei der Besetzung der Nigerianischen Botschaft dabei, um ein Video zu drehen. Er sagt, er habe Alpträume seitdem er in Polizeigewahrsam war. Die Polizei habe ihm seinen Tablet PC, mit der er gefilmt habe, nicht zurück gegeben.
Hatef Soltani war bei der Besetzung der Nigerianischen Botschaft dabei, um ein Video zu drehen. Er sagt, er habe Alpträume seitdem er in Polizeigewahrsam war. Die Polizei habe ihm seinen Tablet PC, mit der er gefilmt habe, nicht zurück gegeben.

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Unangemeldet war auch die Aktion in und vor der nigerianischen Botschaft am 15. Oktober: 14 Aktivisten verschafften sich Zugang zur Botschaft, um dort eine Diskussion mit dem Botschafter einzufordern. Sie werfen ihm vor, den deutschen Behörden Abschiebungen von Flüchtlingen ohne Pass zu erleichtern - in dem sie umstrittene so genannte Abschiebungsanhörungen durchführen, in denen in zwei Minuten über das Schicksal von Flüchtlingen entschieden werde. Rund 120 weitere Demonstranten hatten sich am 15. Oktober vor dem Botschaftsgebäude versammelt, um dagegen zu demonstrieren. Insgesamt 25 Menschen wurden festgenommen. nachdem die Polizei die Aktivisten aus der Botschaft gebracht hatte.

Schon Ende Oktober war dann bekannt geworden, dass drei Polizisten wegen Körperverletzung angezeigt wurden, die bei diesem Einsatz dabei waren. Doch dabei ging es nicht um die Vorwürfe Onymeas. Die Polizei teilte am Freitag mit, das Landeskriminalamt ermittele noch immer gegen die drei beschuldigten Polizisten. Eine Anzeige sei aufgrund eines Zeitungsartikels, in dem ein vermeintliches Opfer von der Polizeigewalt berichtet, von Amts wegen eingeleitet worden, hatte die Polizei damals mitgeteilt. Zwei weitere Anzeigen gingen über die Internetwache der Polizei ein, hieß es.

Patras Bwansi aus Uganda demonstriert, wie Polizisten ihm den Kopf verdreht hatten. Er erzählt aber auch, dass er nicht gefügsam gemacht hat, was die Beamten von ihm wollten.
Patras Bwansi aus Uganda demonstriert, wie Polizisten ihm den Kopf verdreht hatten. Er erzählt aber auch, dass er nicht gefügsam gemacht hat, was die Beamten von ihm wollten.

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Augustine Onyema hat keine Anzeige erstattet. „Er und andere beteiligte Flüchtlinge diskutieren schon länger, ob sie das tun sollen“, sagt Biplab Basu von Reach Out: „Die meisten denken, dass ihnen ohnehin niemand glaubt und das Verfahren sowieso eingestellt wird.“ Er selbst ist auch skeptisch: "Juristisch sehe ich wenig Chancen."

Auch Hatef Soltani, anerkannter Politischer Flüchtling aus dem Iran hat keine Anzeige erstattet. Er sitzt am Freitagmorgen ebenfalls in dem Zelt im Flüchtlingscamp und hat ähnliches wie Onyema zu erzählen.

„Kein Mensch ist illegal steht auf seinem T-Shirt“. Er sei in der Botschaft gewesen, um die Aktion per Video zu dokumentieren erzählt er. "Die Berliner Polizisten haben sich ähnlich verhalten wie die im Iran, als ich dort verhaftet wurde", sagt er auf deutsch, das ihm noch nicht ganz leicht fällt. Zunächst hätten sie ihn verbal bedroht und sich dann beim Fingerabdrücke nehmen über seinen Akzent lustig gemacht, ihn imitiert. "In der Zelle haben sie meinen Kopf gegen die Wand gestoßen." Als sie ihn frei lassen wollten, weigerte er sich, ohne seinen Tablet Computer, mit dem er die Besetzung der Botschaft gefilmt hatte, zu gehen. "Ich wollte mindestens eine Quittung, aber die wollten sie mir nicht geben. Und den Computer auch nicht." Dann hätten sie ihm seine Jacke über den Kopf gezogen, ihn zu Boden geworfen und geschlagen - und ihn die Treppen hinunter bis zum Ausgang geprügelt. "Seitdem träume ich immer wieder davon, wie mich Polizisten am Hals festhalten, so dass ich nicht mehr atmen kann." Sein Fazit: "Ich glaube, dass deutsche Behörden ein feindliches Verhältnis zu Leuten aus dem Ausland haben."

Ähnlich sieht das auch Augustine Oyema: "Mir haben sie die Arme so fest auf den Rücken gefesselt, dass sie kaum noch durchblutet wurden, mit Plastikhandschellen." Er hält seine Handgelenke hoch, um die Striemen zu zeigen.

Ein Stunde hätten sie ihn so gefesselt auf dem Boden einer Einzelzelle liegen gelassen. „Wir wollen dich hier nicht“, hätten die Polizisten zu ihm gesagt. "Und dass ich ihrer Ansicht nach ruhig ich rumliegen und sterben könnte, meine Regierung würde sich ja sowieso nicht um mich kümmern."

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