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Der Eingang des Kriminalgerichts Moabit.

© Fabian Sommer/dpa

Nach Bombendrohung des „NSU 2.0“: Prozess gegen mutmaßlichen rechten Bombendroher unterbrochen

Der Prozess gegen den Rechtsextremisten André M., dem insgesamt 107 Taten vorgeworfen werden, musste am Dienstag kurz nach Beginn kurzzeitig unterbrochen werden.

Von Frank Jansen

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Bombendroher André M. vor dem Landgericht Moabit wurde am Dienstag bereits kurz nach Beginn unterbrochen. Um 12.41 Uhr sei ein Fax im Gericht eingegangen, in dem erklärt werde, dass rund um den Sitzungssaal 220 des Gerichts Sprengstoff deponiert sei. Das sagte eine Sprecherin des Gerichts dem Tagesspiegel.

Nach rund einer Stunde wurde der Prozess fortgesetzt. Teile des Gebäudes seien durchsucht, aber kein Sprengstoff gefunden worden.

Gezeichnet war das Drohschreiben vom dem selbsterklärten "NSU 2.0". Obwohl die Verhandlung gegen André M. in einen anderen Saal verlegt worden war, nahm das Gericht die Drohung ernst, sagte die Sprecherin weiter. 

Der Prozess wurde zunächst unterbrochen, Teile des Gerichtes wurden kurzzeitig geräumt. 

Anschlagsdrohung gegen Landgericht

"NSU 2.0" ist einer der Namen, die ein bislang unbekannter Komplize von André M. wiederholt verwendet hat. Erst am Montagabend versuchte mutmaßlich derselbe Mann, die Richter mit einer Anschlagsdrohung unter Druck zu setzen und die Freilassung von André M. zu erzwingen.

Dass es sich bei beiden Drohungen um den selben Täter handelt, legt auch die Diktion nahe, in der das Fax verfasst ist. Dort steht etwa: "Die Vertreter der Lügenpresse werden in ihrem eigenen Blut vor Saal 220 ersaufen", gezeichnet ist das Schreiben mit "Heil Hitler". Auch der vorsitzende Richter der 10. Strafkammer, die den Prozess gegen M. führt, wird namentlich genannt und direkt adressiert. 

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Auffällig ist, dass der Absender etwa die Begrifflichkeit "HVT" für "Hauptverhandlungstermin" verwendet, die in der Regel nur innerhalb der Justiz genutzt wird.

Drohungen waren womöglich abgesprochen

Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass André M. mit dem bislang unbekannten Rechtsextremisten des "NSU 2.0" zumindest virtuell mehrmals Drohungen abgesprochen hat.

André M. hatte zu Beginn des Prozesses hinter einer Glaswand gesessen, mit blassem Gesicht, schwarzem T-Shirt und die dünnen blonden Haaren zu einem Pferdeschwanz gebunden. Er wirkte eher wie ein Computer-Nerd, weniger wie ein typischer Rechtsextremist.

M. soll Anschläge auf Rathäuser, Gerichte und Bahnhöfe angedroht haben

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin wirft M. insgesamt 107 Taten vor. Der im April 2019 bei Hamburg festgenommene Mann soll von Ende 2018 mit Anschlägen auf Rathäuser, Gerichte, Bahnhöfe, Einkaufszentren, Finanzämter und weitere Ziele gedroht haben. Mehrmals lösten die Hassmails größere Polizeieinsätze aus.

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In Potsdam, Wiesbaden, Köln und weiteren Städten wurden Gerichte evakuiert, In Lübeck der Hauptbahnhof und in Augsburg, Göttingen und anderen Kommunen die Rathäuser. Die Polizei fand allerdings nie einen Sprengsatz. 

Der mehrfach vorbestrafte Rechtsextremist André M. soll sich in den Mails als „National Sozialistische Offensive“ ausgegeben und auch Hassbotschaften an Bundestagsabgeordnete geschickt haben.

Obszöne Drohungen richteten sich zudem gegen die Schlagersängerin Helene Fischer, die im September 2018 bei einem Konzert in Berlin das Publikum aufgefordert hatte, mit ihr die Stimme „gegen Gewalt, gegen Fremdenfeindlichkeit“ zu erheben.

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