zum Hauptinhalt
Leicht entflammbar. Kinderwagen sind ein beliebtes Ziel von Brandstiftern. Angezündet verqualmen sie das ganze Treppenhaus. Vermieter und Mieter streiten sich oft über ihr Abstellen im Hausflur.

© Schröder

Nach dem Feuer in Neukölln: Mieter fordern sichere Räume für Kinderwagen

Nach dem Feuer an der Neuköllner Sonnenallee, bei dem am Sonnabend drei Menschen, darunter ein Säugling, starben, wird wieder über den Brandschutz und die Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern gestritten.

Tausende Kinderwagen stehen in Berliner Treppenhäusern herum – weil die Vermieter keine geeigneten Abstellräume bereitstellen, wie Rainer Wild, Geschäftsführer des Mietervereins, am Dienstag beklagte. Er reagierte damit auf die Forderung der Grundbesitzerverbände, Kinderwagen grundsätzlich aus Treppenhäusern und Hausfluren zu verbannen. Nach dem Feuer an der Neuköllner Sonnenallee, bei dem am Sonnabend drei Menschen, darunter ein Säugling, starben, wird wieder über den Brandschutz und die Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern gestritten. Die Gerichte erlauben in der Mehrzahl der Urteile den Mietern das Abstellen im Hausflur, während Vermieter erfolglos aufs Baurecht verweisen, das dort brennbare Materialien und Stolperfallen verbietet. Aus Sicht der Feuerwehr sind die Wagen beides, und dennoch stehen sie in den Hausfluren herum. Reiner Wild vom Mieterverein berichtet von einem Haus in Prenzlauer Berg, in dem nachts acht Kinderwagen abgestellt werden. Doch zwingen könne man Vermieter nicht, geeigneten Raum zu schaffen, sagt Wild. Sinnvoll sei ein überdachter und verschließbarer Verschlag im Hof. Im Handel wird so etwas angeboten, beispielsweise eine Minigarage für einen einzelnen Wagen, 600 Euro teuer, die auch in kleinen Höfen Platz findet. Diese Box der Berliner Firma kiwabo wird in Behinderten-Werkstätten montiert, wirbt der Hersteller.

Nur mit solch einer einvernehmlichen Lösung sei der Knoten zu durchschlagen, sagt Wild. Unbestritten seien Kinderwagen ein Sicherheitsrisiko, doch ebenso unbestritten ist, dass Müttern nicht zugemutet werden könne, Kind samt Wagen in den dritten oder vierten Stock zu schleppen. Rein rechtlich seien Mieter auf der sicheren Seite, sagte Wild – solange keine Fluchtwege versperrt werden.

„Sicherheit kostet nur ein paar Euro“ – mit diesem Motto wirbt die Feuerwehr für Rauchmelder. Die Geräte kosten unter zehn Euro, sie warnen vor dem giftigen Brandrauch durch einen durchdringenden Alarmton. Während zahlreiche Bundesländer mittlerweile eine Rauchmelderpflicht für Neubauten (teilweise sogar für bestehende Bauten) erlassen haben, gibt es ein entsprechendes Gesetz in Berlin noch immer nicht. Der Berliner Mieterverein ist für dieses Gesetz, Wild befürwortet auch die Nachrüstung von Altbauten: „Kleine Maßnahme, große Sicherheit.“ Dies bestätigt die Feuerwehr: „Rauchmelder retten Menschenleben.“ Die Mehrheit der Brandopfer sterbe am Rauch und nicht an Flammen, und zwei Drittel aller Opfer werden im Schlaf überrascht.

Nach Angaben der Polizei ist die Zahl der Brandstiftungen in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, weil immer mehr Häuser geschlossene Haustüren haben. Dadurch werde Brandstiftern, die nach Angaben von Kriminologen fast immer den einfachsten Weg wählen, der Zugang versperrt. Auch die Feuerwehr fordert geschlossene Türen. Nachts abgeschlossene Türen gefährdeten jedoch Menschen, die im Not- oder Panikfall aus dem Haus flüchten wollen. Besser – aber auch teurer – seien Systeme mit Klinke oder Nothebel, die sich auch ohne Schlüssel von innen öffnen lassen. Mieter wie Vermieter beklagen allerdings, dass Türschlösser oft zerstört werden, meist von Bewohnern. Besonders ausgeprägt sei das in sozial schwächeren Quartieren. Die Feuerwehr selbst behindern ge- oder verschlossene Türen nicht. „Wir kommen durch jede Tür“, sagte ein Sprecher – mit Gewalt.

Auch in der Sonnenallee kritisieren Bewohner, dass die Türschließer häufig defekt seien. Die Polizei ist mit den Ermittlungen bislang nicht vorangekommen. Die Staatsanwaltschaft setzte deshalb gestern für Hinweise eine Belohnung von 5000 Euro aus. Wie berichtet, hatte der Unbekannte am 12. März kurz vor 6 Uhr früh im Treppenhaus des Quergebäudes an mehreren Stellen Feuer gelegt. Eine 26-Jährige mit ihrem zehn Tage alten Kind starb, ebenso der 28-jährige Bruder der Frau. Ermittelt wird wegen Mordes und versuchten Mordes sowie besonders schwerer Brandstiftung. Die kriminaltechnischen Untersuchungen sind mittlerweile beendet, das Quergebäude ist von der Bauaufsicht gesperrt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false