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Nach Durchsuchungen: Nächtliche Randale in Friedrichshain

Umgestürzte Mülltonnen, ein brennendes Auto: Dienstagnacht entlud sich in Friedrichshain die Wut der linken Szene wegen der Verhaftung eines mutmaßlichen Autobrandstifters und der drohenden Räumung eines Wohnprojekts.

Eine große Gruppe von Autonomen und Sympathisanten sammelte sich gegen 21 Uhr am Bersarinplatz und zog dann Richtung Simon-Dach-Straße. Aus den anfangs rund 150 Teilnehmern wurden nach Polizeiangaben bald mehr als 500. „Während des Aufzuges wurde Pyrotechnik abgebrannt und es kam zu Flaschenwürfen“, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Nach einer halben Stunde erklärte die Anmelderin die Demonstration am Boxhagener Platz plötzlich für beendet. Anschließend lieferte sich die Menge im Bezirk ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei.

Vermummte versperrten mit Baumaterial und Mülltonnen mehrere Straßen und zündeten Feuerwerkskörper. Erst gegen Mitternacht beruhigte sich die Lage. Die Einsatzkräfte nahmen zwei Personen wegen Beleidigung und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz vorläufig fest. Rund 200 Beamte waren im Einsatz. Gegen 23 Uhr 30 ging in der Ackerstraße in Mitte ein hochwertiges Auto in Flammen auf. Die Sicherheitsbehörden gehen von einem politischen Motiv aus und schalteten den Staatsschutz ein.

Wenig Sympathien für Autozündler

Mittwochnachmittag war von den Ausschreitungen in der Rigaer Straße nichts mehr zu sehen. „Wir bleiben alle!“ steht auf einem Transparent, das an dem bunt bemalten Haus in der Liebigstraße 14 hängt. Das ehemals besetzte Haus, in dem der mutmaßliche Autozündler gewohnt haben soll, könnte jederzeit geräumt werden. Wie berichtet, hatten die Bewohner vor kurzem den letzten Gerichtsprozess um die Gültigkeit ihrer Mietverträge verloren. Ähnlich wie das Kreuzberger Wohnprojekt „Köpi“ hat das Haus starken Rückhalt in der subkulturellen Szene.

Besonders junge Anwohner haben für die vielen Proteste gegen die Räumung der „Liebig 14“ Verständnis. Für das Anzünden von Autos hat im Bezirk aber offenbar kaum jemand Sympathien. „Es ist doch absurd“, sagt eine Frau mit Nietengürtel und schwarzer Kapuzenjacke, „die Leute ziehen hierher, weil der Kiez als alternativ und cool gilt, aber gleichzeitig werden Hausprojekte rausgeklagt.“ Und die mehr als 250 angezündeten Autos? „Das ist wirklich idiotisch und sinnlos.“ „Man muss eine vernünftige Lösung finden, wie man alternative Kulturprojekte in Friedrichshain erhält“, sagt ein 24-jähriger Student: Mit brennenden Autos gehe das aber bestimmt nicht.

Ärger über Boulevardmedien

Die Festnahme des 23-jährigen mutmaßlichen Brandstifters am Montag hat auch in linksradikalen Internetforen eine hitzige Diskussion über den Sinn von Autobrandstiftungen entfacht. „Gegen Gentrifizierung zu sein ist das eine, aber Autos abfackeln ist einfach nur kontraproduktiv“, schreibt ein Nutzer. Die brennenden Personenwagen würden den „Repressionsdruck erhöhen“ und wichtige Sympathien in der Bevölkerung verspielen. Andere halten das Zündeln weiterhin für die „beste Möglichkeit, Yuppies aus dem Kiez zu vertreiben und Häuserräumungen zu verhindern“.

Einig sind sich hingegen alle darüber, dass die Berichterstattung über den Festgenommenen in den Boulevardmedien einer Vorverurteilung gleichkommt. Einige Zeitungen hatten Fotos des mutmaßlichen Brandstifters abgedruckt, ohne sein Gesicht unkenntlich zu machen.

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