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Nach Einzug ins Abgeordnetenhaus: Die Piratenpartei muss demnächst liefern

Wie sich die Piraten auf den Parlamentsalltag im Abgeordnetenhaus vorbereiten.

Richtig angekommen sind die Piraten im Abgeordnetenhaus noch nicht. Wenn Andreas Baum, der künftige Fraktionsvorsitzende, zu seinem neuen Arbeitsplatz gelangen will, stoppen ihn die Pförtner. Baum muss dann ein Papier aus seiner Geldbörse hervorkramen, eine sogenannte Schlüsselbescheinigung, denn noch hat er keinen Abgeordnetenausweis. Ohne Bescheinigung aber, dass er tatsächlich in diesem Hohen Haus seiner Wege gehen darf, kommt er nicht durch den Eingang hindurch.

Zwei Wochen bleiben den Piraten, bis sich das Abgeordnetenhaus konstituiert und der parlamentarische Alltag beginnt. Dann werden sie sich nicht länger darauf zurückziehen können, sich in ein Thema noch nicht eingelesen zu haben, auf eine drängende Frage keine Antwort geben zu können. Spätestens dann müssen sie, so würde es vielleicht Philipp Rösler sagen, liefern. Im Moment sucht die künftige Fraktion Mitarbeiter, die helfen sollen, im Parlamentsbetrieb zu bestehen.

Einige Personen aus der Partei und ihrem Umfeld sollen eingestellt werden, außerdem sind acht Stellen auf der Homepage der Fraktion ausgeschrieben. In blumigen Worten heißt es, man sei als bunter Haufen verschiedenster Charaktere angetreten, vieles an der Art und Weise zu verändern, wie Politik gemacht wird. Nichts weniger als die „Möglichkeit, mit uns Geschichte zu schreiben“, stellen die Piraten möglichen Bewerbern in Aussicht.

Wie es gelingen kann, trotz großer Träume in den politischen Realmodus umzuschalten, wollen die Piraten in der kommenden Woche auch in Reykjavík herausfinden. Dort hatten die Bürger im Jahr 2010 angesichts der isländischen Finanzkrise genug von den etablierten Parteien und wählten den Komiker Jón Gnarr zu ihrem Bürgermeister. Er ist mit Martin Sonneborn vergleichbar, der mit seiner Satiretruppe „Die Partei“ den Berliner Wahlkampf aufmischte – Gnarr aber regiert mittlerweile tatsächlich. Am kommenden Montag fliegen drei Abgeordnete, von ihnen privat finanziert, für eine Woche zum Erfahrungsaustausch nach Reykjavík.

Außerdem haben sich die Piraten darangemacht, nach inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit der politischen Konkurrenz zu suchen. Der Abgeordnete Christopher Lauer hat ein sogenanntes Wiki eingerichtet, also eine Internetplattform, auf der Nutzer gemeinsam an Texten arbeiten. Dort werden im Moment die Wahlprogramme der Berliner Parteien Stück für Stück durchgearbeitet und miteinander verglichen. Lauer rechnet damit, dass das Projekt in einem Monat abgeschlossen ist. „Es geht uns darum, konkrete inhaltliche Gemeinsamkeiten zu identifizieren, jenseits der klassischen Koalitionsbildung“, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer Delius. Diese Gemeinsamkeiten könnten dann zu parlamentarischen Initiativen führen.

Ihre Fraktionszimmer haben die Piraten schon, größtenteils sind es die ehemaligen FDP-Räume. Auch die Plätze der Liberalen im Plenum werden die Piraten einnehmen – vorerst. Sie hatten erfolglos protestiert und wollen nach der Konstituierung des Parlaments andere Sitzplätze beantragen.

Dies alles geschieht unter dem Blick der Öffentlichkeit, dokumentiert im Internet. Aber auch die Piraten tagen ab und an unter sich. Für ein Wochenende sind sie nach Tschechien gefahren, zur Fraktionsklausur. Damit die ohne Kameras stattfinden kann, ohne Livestream, ohne Protokolle – kurz: intransparent – musste eines vorher festgelegt werden: Politische Entscheidungen werden weder getroffen noch vorbereitet. Gewandert sind die Piraten, sie haben gemeinsam Holz gehackt und ums Lagerfeuer gesessen. Man habe kaum über Politisches gesprochen, heißt es, und es bleibt das Geheimnis der Piraten, ob das tatsächlich möglich ist.

Zurück in Berlin standen die Piraten wieder vor einer der kleineren Hürden auf dem Weg in den Parlamentsalltag: Noch haben sie nicht herausgefunden, wie sie die Telefone in ihrem neuen Fraktionssaal stumm schalten können. Wenn die fünfzehn tagen, müssen sie acht Akkus aus vier schnurlosen Telefonen entfernen, um in Ruhe diskutieren zu können.

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