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Schnee und Eis können für den Eisvögel schwierig werden. Er jagt im Wasser. Wenn Gewässer vereist sind, findet er keine Beute.

© picture alliance / dpa

Nach elf Tagen Schnee und Eis: Die Hälfte der Berliner Eisvögel ist verhungert

In den zugefrorenen Gewässern der Hauptstadt haben die Vögel keine Nahrung gefunden. Doch es gibt Hoffnung.

Auch wenn viele angesichts von Regen und Matsch dem Winterzauberwetter der vergangenen Tage nachtrauern, für ein Lebewesen gilt das nicht: den Eisvogel. Denn die letzte Woche mit Schnee, Minustemperaturen und Eis hat den kleinen Vögeln in Berlin schwer zugesetzt. Rund die Hälfte der Eisvögel dürfte die kalte Zeit nicht überlebt haben, schätzt Berlins Wildtierbeauftragter Derk Ehlert.

50 Paare leben normalerweise in der Hauptstadt. Ihre Reviere liegen an der Unterhavel, am Teltowkanal in Lichterfelde, am Tegeler Fließ, dem Müggelsee, am Buschgraben in Zehlendorf. Aber auch am Neuen See im Tiergarten sind die bunt schillernden, scheuen Tiere zu Hause. "Jetzt haben wir wohl nur noch 20 bis 30 Paare", schätzt Ehlert.

Denn anders als ihr Name vermuten lässt, sind Eisvögel schlecht gegen Eis gewappnet. Sie leben von kleinen Fischen, Insektenlarven, Fröschen und Kaulquappen.

"Alvedo atthis", wie er in der Wissenschaft heißt, bleibt auch in der kalten Jahreszeit bei uns, "Winterflucht" betreibt er nicht. Er ist reviertreu, und obwohl er nicht monogam ist, kommen doch häufig dieselben Paare zusammen.

Doch die Standorttreue wird zum Problem, wenn die Gewässer gefroren sind. Dann gibt es keine Beute. Und auch der Mensch kann nicht helfen: Anders als Rotkehlchen oder Meisen, die man mit Meisenknödeln oder Vogelfuttermischungen aus dem Supermarkt aufpäppeln kann, kann man Eisvögel nicht füttern. "Die Vögel müssen jagen", sagt Ehlert. Im Winter kann das schwierig werden.

Das liebt er: Eisvögel fressen am liebsten kleine Fische.
Das liebt er: Eisvögel fressen am liebsten kleine Fische.

© dpa

Dass Eisvögel überhaupt in Berlin heimisch sind, ist ein Erfolg. Die Tiere sind scheu und streng geschützt. 4500 bis 7000 leben in Deutschland, schätzt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Bis zu zehn Jahre kann ein Eisvogel alt werden, wenn alles gut läuft.

Der Name kommt von seiner orangefarbenen Brust, die ihm einst die Bezeichnung "Eisenvogel" eingebracht hatte, daraus ist der Eisvogel geworden. Zwei Mal war der kleine Fischjäger, dessen Rücken je nach Lichteinfall kobaltblau oder türkis schillert, Vogel des Jahres.

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Der Eisvogel braucht sauberes, klares Wasser, um seine Beute zu erspähen. Dann stürzt er sich pfeilschnell ins Wasser und schnappt den Fisch mit seinem dolchartigen langen Schnabel. Das Tier benötigt aber nicht nur Nahrung, sondern auch Platz, um am Ufer seine Nisthöhlen zu bauen. Das tut der Vogel gern in umgestürzten alten Bäumen oder an Steilufern von Gewässern. Solche Gegenden gibt es aber immer weniger, weil Ufer befestigt und gegen Hochwasser geschützt werden.

Warum die Art überlebt

Doch auch wenn viele Eisvögel in den letzten Tagen ihr Leben gelassen haben dürften, so gibt es dennoch Hoffnung. Denn die Art hat einen Weg gefunden, um mit solchen Herausforderungen umzugehen: "Sie brüten jetzt häufiger", sagt Ehlert. Statt einmal im Jahr ziehen sie nach strengen Wintern bis zu drei Generationen von Jungvögeln groß. "Der einzelne Vogel stirbt, aber die Art überlebt", sagt Ehlert.

Auch am Neuen See in Tiergarten ist der Eisvogel heimisch.
Auch am Neuen See in Tiergarten ist der Eisvogel heimisch.

© Uwe Steinert

Notfalls bekommen die urbanen Eisvögel Verstärkung von ihren Artgenossen vom Land. Im Müritz-Nationalpark, in dem die Tiere gute Lebensbedingungen haben, haben wohl deutlich mehr Exemplare überlebt. Sie haben sich eisfreie Gewässer gesucht wie die Peene oder die Bolter Schleuse. Auch wenn sie keine Zugvögel sind, so können die Tiere doch einige Hundert Kilometer zurücklegen, um sich zu retten. An die Müritz kommen etwa immer wieder Zuzügler aus Polen oder Weißrussland, sagt Sven Rannow, Dezernent für Grundlagen und Planung im Nationalparkamt.

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An der Müritz haben die Eisvögel ideale Voraussetzungen, um zu jagen und zu brüten. "Sie brauchen fischreiche Gewässer, klares Wasser und Lebensraum", betont Rannow. In Berlin sei das schon schwerer zu finden, vor allem wenn es um Brutbedingungen geht. Doch Rannow ist zuversichtlich, dass die Hauptstadt vom Nationalpark profitieren wird – indem die Mecklenburger Tiere in die Hauptstadt umziehen. "Wir bieten Rückzugsräume", sagt der Experte, das sichert den Nachschub auch für Regionen, in denen das Überleben härter ist.

Wie etwa Berlin. Doch hier drohen den Vögeln Gefahren, die sie vom Land nicht kennen: Fensterscheiben. "Die Vögel fliegen davor und sterben", warnt Ehlert. Erst im Januar hat es ein Tier am Flughafen BER erwischt. Der kleine Vogel ist vor das Terminalglas geflogen und gestorben.

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