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Der Prozess war aufwändig vorbereitet und groß angelegt worden, hier einige Verfahrensakten zu dem Fall Storkow.

© Patrick Pleul/dpa

Nach Enthüllungen zum Maskenmann-Prozess: Opposition will Untersuchungsausschuss einsetzen

Nach Enthüllungen des Tagesspiegels steht der Maskenmann-Prozess auf der Kippe. Der Verdacht: einseitige Ermittlungen, politischer Druck. CDU und Grüne sind für einen Untersuchungsausschuss.

Nach den Enthüllungen des Tagesspiegels im Maskenmann-Fall wächst der Druck auf Justiz und Polizei, das Verfahren neu aufzurollen. Der Bericht vom Samstag um die Überfälle auf eine Berliner Unternehmerfamilie und die Entführung eines Berliner Investmentbankers und deren Behandlung durch Ermittlungsbehörden schlug deutschlandweit Wellen. In Brandenburg forderten sowohl die Opposition im Landtag als auch Polizeigewerkschaften, dass der vom Tagesspiegel enthüllte Verdacht gegen einen Ex-Polizisten, der Pilot bei der Hubschrauberstaffel der Polizei Brandenburg war, geprüft werden müsse. Auch ein Untersuchungsausschuss im Landtag Brandenburg wird immer wahrscheinlicher.

Wie berichtet, war der frühere Beamte wie der aktuell Angeklagte Mario K. nach der Entführung des Berliner Bankers Stefan T. im Oktober kurzzeitig ebenfalls ins Visier der Ermittler geraten. Dann aber war dem Mann nach Tagesspiegel-Recherchen vorschnell und ohne detaillierte Prüfung ein Alibi bescheinigt worden, das nun erstmals durch Aussagen der damaligen Ehefrau gegenüber dem Tagesspiegel erschüttert wird. Zudem hatte diese Zeitung weitere Indizien recherchiert, die gegen den Beamten sprechen und von der Polizei nicht ermittelt wurden.

Das Plädoyer der Verteidigung ist für kommenden Freitag vorgesehen

Der Prozess am Landgericht Frankfurt (Oder) steht vor dem Abschluss. Das Plädoyer der Verteidigung ist für kommenden Freitag vorgesehen, für Juni ist das Urteil ankündigt. Das Gericht müsse nun wieder in die Beweisaufnahme einsteigen, forderte CDU-Innenexperte Björn Lakenmacher. Zudem müsse der mit dem Fall befasste Staatsanwalt abgezogen werden. Es sei nicht zu erwarten, dass er die neuen Vorwürfe noch objektiv bewerten könne. Auch die zuständigen Ermittler bei der Polizei müssten ausgetauscht werden. Das forderte auch die Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher. Sie nannte die Enthüllungen eine neue Wendung „in dem an Merkwürdigkeiten extrem reichen Prozess“. Die Zweifel am gesamten Verfahren seien noch einmal eklatant verstärkt worden. Nun müsse die Notbremse gezogen werden. Die neuen Vorwürfe könnten das Vertrauen in den Rechtsstaat erschüttern, warnten Lakenmacher und Nonnemacher.

Der brutale Entführer eines Geschäftsmanns soll eine schwarze Hose, eine grüne Softshell-Jacke, weiße Handschuhe und ein Gesichtsnetz getragen haben: Mithilfe dieser Zeichnung bat die Polizei um Hinweise.
Der brutale Entführer eines Geschäftsmanns soll eine schwarze Hose, eine grüne Softshell-Jacke, weiße Handschuhe und ein Gesichtsnetz getragen haben: Mithilfe dieser Zeichnung bat die Polizei um Hinweise.

© Polizei Brandenburg

Die Opposition im Landtag wird wohl einen Untersuchungsausschuss beantragen. CDU und Grüne wollen allerdings erst das Ende des Prozesses abwarten.

Der Verteidiger des angeklagten Mario K., der Berliner Anwalt Axel Weimann, sprach von neuen Erkenntnissen. Die Recherchen des Tagesspiegel gingen über die bislang bekannten Informationen hinaus. Er erwäge, am Freitag in seinem Plädoyer einen Hilfsantrag zu stellen, wonach das Gericht neue Beweise erheben müsse, falls es eine Verurteilung von Mario K. anstrebe.

Die Staatsanwaltschaft will den Tagesspiegel-Bericht prüfen

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), Dorina Dubrau, sagte, man werde den am Samstag erschienenen Tagesspiegel-Bericht am Montag auswerten. Allerdings sei der Verdacht gegen den Ex-Polizisten schon bei den Ermittlungen und nochmals in Vorbereitung des Plädoyers geprüft worden. Demnach sei der Beamte damals am Morgen des 6. Oktober ab 4 Uhr - nach der abendlichen Entführung von Stefan T. - bis 10 Uhr im Dienst gewesen. Er sollte den Hubschraubereinsatz für die Suche nach dem entführten Stefan T. koordinieren. Dubrau sagte, weil der Entführer in dieser Zeit beim Entführungsopfer T. auf einer Schilfinsel gewesen sei, könne der Ex-Beamte nicht der Entführer sein. Verteidiger Weimann widersprach dem. Aus den Aussagen des Entführungsopfers lasse sich nicht erschließen, ob der Entführer in dieser Zeit anwesend war. Die von dem Ex-Beamten getrennt lebende Frau hatte dem Tagesspiegel erklärt, dass ihr Mann am 6. Oktober 2012, einen Tag nach der Entführung, nicht nach Dienstschluss, sondern erst am Abend nach Hause gekommen sei. Im selben Zeitraum war auch der Entführer bei T. Gegen den Ex-Beamten, der 2013 infolge von Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und Geheimnisverrats aus dem Dienst ausschied, war im Maskenmann-Verfahren zwar ein Anfangsverdacht geprüft, dieser dann aber nicht weiter verfolgt worden.

Ermittler ließen den Verdacht schnell fallen

Es geht um drei Fälle: eine Attacke auf die Unternehmergattin P. im August 2011 in Bad Saarow, dann ein Schuss auf einen Sicherheitsmann der Familie im Oktober 2011 sowie ein Jahr später die Entführung des Bankers T. aus seinem Haus am Storkower See. Das Handy des Beamten war zu allen drei Tatzeiten in den jeweilgen Funkzellen am Tatort erfasst worden. Nach nicht tiefgehender Prüfung wurde ihm jedoch anhand seines Dienstplanes für die Entführung und deshalb auch für die beiden Überfälle ein „plausibles Alibi“ bescheinigt, obwohl er zu keiner der drei Tatzeiten im Dienst war, auch nicht zur Zeit der Entführung am Abend des 5. Mai.

Weil aber die Ermittler den Verdacht gegen den Beamten schnell fallen ließen, konnten sie nach Tagesspiegel-Recherchen auch andere Indizien nicht erkennen, die weit über die von der Staatsanwaltschaft als Tatnachweis gegen den Angeklagten vorgebrachten Indizien hinausgehen. Im Gegensatz zum Angeklagten Mario K. könnte es bei dem Ex-Beamten ein Motiv geben, das aber nie von den Ermittlern geprüft wurde: Schulden im sechsstelligen Bereich. Der Mann soll außerdem die beiden Opferfamilien gekannt haben; er kennt zudem die Gegend um die nur wenige Kilometer voneinander entfernt liegenden Tatorte gut. Und er entspricht der Täterbeschreibung, die die Polizei nach den Überfällen auf die Unternehmerfamilie P. in Bad Saarow im August und Oktober 2011 herausgegeben hatte. In der DDR war er Pilot bei der NVA. Nach der Entführung von Stefan T. im Oktober 2012 hieß es von der Polizei, dass der Täter möglicherweise einen militärischen Hintergrund habe, bei der DDR-Volksarmee oder Spezialeinheiten.

Ob Mario K. zurecht auf der Anklagebank sitzt, ist damit ungewiss. Dem 47-jährigen Dachdecker aus Marzahn werden versuchter Mord, versuchte Tötung, gefährliche Körperverletzung und schwere räuberische Erpressung vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft sieht seine Schuld auf Grundlage von einer Reihe von Indizien, aber ohne direkten Beweis und ohne offensichtliches Motiv, als erwiesen an und fordert lebenslange Haft. Am kommenden Freitag soll die Verteidigung ihr Abschlussplädoyer halten.

Der Prozess war über weite Teile überschattet von Kritik von Beamten aus den Reihen der Mordkommission. Sie hatten bemängelt, dass sie Zweifeln an der Darstellung des Entführungsopfers Stefan T. nicht nachgehen durften. Aus ihrer Sicht ist auf Weisung von Vorgesetzten nur einseitig ermittelt und das Verfahren vorschnell auf Mario K. fokussiert worden. Der politische Druck sei enorm gewesen.

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