zum Hauptinhalt
Im Spreewald ist man für alle Wetter gerüstet. Nach dem Hochwasser fährt längst wieder alles – und sollte es doch mal regnen, haben die Kahnfährleute selbst Schirme dabei. Aber das Wetter soll ja langsam sommerlicher werden.

© Weisflog

Nach Hochwasser: Umsatzeinbußen in Brandenburg: Tourismus wäre die beste Fluthilfe

Touristen machen einen Bogen um Brandenburg, obwohl viele Gebiete gar nicht vom Hochwasser betroffen waren. Eine neue Werbekampagne soll helfen. Und einige sonst beliebte Regionen kann man dank der ausbleibenden Besucherscharen derzeit so entspannt erleben wie selten.

Wer als Radfahrer die sonst viel befahrenen Fernwege durch Brandenburgs Weite ohne Pulks nur für sich genießen will, sollte jetzt zu einer Tour starten. Denn selbst bei nahezu idealem Wetter für eine Radpartie fehlen seit einem Monat die Touristen. Auch viele Berliner Tagesausflügler machen bislang einen Bogen auch um viele andere Ziele in der weiteren Umgebung. Dabei appellieren jetzt Behörden und Tourismusexperten, dass es die beste Fluthilfe sei, in den Regionen mit vielen Attraktionen Urlaub zu buchen. Man könne viele vom Hochwasser völlig unbeeinflusste Regionen ohne Schlangestehen genießen.

Im Tourismusjahr 2013 stehen viele Brandenburger Regionen und Anbieter bislang im Regen. Erst das kalte Frühjahr, dann die vielen Güsse. „Es liegt eindeutig am Hochwasser“, sagt Sandra Ziesig, Marketingchefin des Tourismusverbandes Oder-Spree. „Viele Urlauber sind derart verunsichert, dass sie gleich den gesamten Urlaub stornieren. Dabei sind die meisten Gebiete gar nicht vom Hochwasser betroffen gewesen.“ Selbst in Beeskow und Storkow, die viele Dutzend Kilometer weit weg von der Elbe liegen, stehen Hoteliers, Pensionsvermieter oder Rad- und Bootsverleiher vor einer langen Liste von Absagen. Und selbst im Harz haben Stornierer schon auf das Brandenburger Hochwasser verwiesen.

Ein Test auf dem Oder-Neiße-Radweg am Wochenende bestätigt die Aussagen. Obwohl beide Flüsse diesmal kein Hochwasser führten, blieb die aus Berlin angereiste Gruppe fast gänzlich unter sich. In den Pensionen und Gaststätten herrschte nahezu völlig Ruhe. „Das Hochwasser ist schuld“, lautet auch hier die Standardantwort. „Ganz Ostdeutschland wird über einen Kamm geschoren“, meint eine Pensionsbetreiberin in Groß Neuendorf an der Oder. „Nun leiden wir alle unter den Bildern, wobei bei uns doch alles in bester Ordnung ist.“

Die Tourismus Marketing Brandenburg GmbH hat noch keine detaillierten Zahlen über die Einbußen parat. Aber die Verluste dürften teilweise bei 50 Prozent und darüber liegen. Dabei waren im April mit 313 100 Gästen, die 835 900 Übernachtungen im Land buchten, schon ein Verlust von 6,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu verkraften. In der Prignitz, wo tausende Helfer Anfang Juni mit rund zwei Millionen Sandsäcken eine Überflutung durch die Elbe verhinderten, verloren einige Hotels, Geschäfte und Freizeitanbieter die Umsätze mehrerer Wochen. „Einige Gäste sind übervorsichtig und möchten nicht als Hochwassertouristen gelten“, sagt Uwe Neumann, Geschäftsführer des Tourismusverbandes. „Aber das ist der falsche Weg. Unsere Infrastruktur ist wieder intakt und selbst der Elberadweg kann wieder wie vor dem Hochwasser befahren werden.“

Auch im Spreewald, wo wegen der starken Strömung für zehn Tage jeglicher Bootsverkehr verboten werden musste und 90 Prozent der Tagesgäste deswegen ausgeblieben waren, ist die Situation wieder normal. „Jeder Gast wird individuell und noch liebevoller als sonst umsorgt“, verspricht Dirk Meier, Hafenmeister in Burg im Spreewald und Sprecher für rund 1000 Fährleute, „und wir haben auch keine Mückenplage.“ Die meisten Fließe sind für Paddler wieder befahrbar.

Doch die Lage ist ernst. Deshalb hat das brandenburgische Wirtschaftsministerium, vor allem in Hamburg und Berlin, eine 100 000 Euro teure Werbekampagne gestartet unter dem Motto „Brandenburg, jetzt erst recht“. Werbefilme über intakte Landschaften und gut gelaunte Gastronomen sollen bald im Internet stehen. Brandenburg lebt im Unterschied zu anderen Tourismusregionen wie etwa Mecklenburg-Vorpommern vor allem von kurzfristigen Buchungen.

Selbst Ministerpräsident Matthias Platzeck appellierte in einer Videobotschaft an alle, „sich vom zurückliegenden Hochwasser nicht zur Änderung von Ferienplänen verleiten zu lassen“. Er ermunterte Touristen, sich im Havelland, im Spreewald, in der Prignitz oder im Elbe-Elster-Land einzumieten oder das Zelt aufzuschlagen. „Sie werden auf gastfreundliche Menschen treffen und auf reizvolle Landschaften. Seien Sie zu Gast bei den Helden der vergangenen Tage, die ihre Heimat gegen die Fluten geschützt haben“, sagte Platzeck.

Derzeit gibt es nur noch im Westhavelland einige Einschränkungen im Radtourismus, der Havel-Radweg ist zwischen Rathenow und Havelberg und die „Tour-Brandenburg“ ab Rhinow in Richtung Strodehne gesperrt. Bootskapitäne können die Untere Havel-Wasserstraße ab Grütz in Richtung Havelberg bis zur Elbmündung nicht befahren. Unterdessen sind viele anderer Meinung als Theologe Friedrich Schorlemmer. Er schlägt statt mehr Schutzausbauten im „Kampf gegen die Natur“ vor, dass die Menschen überlegen sollten, umzusiedeln.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false