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Berlin: Nach Mobbing – Selbstmord eines Berufsschülers Studie: Jeder dritte Schüler in Berlin fühlt sich systematisch drangsaliert

Gefunden wurde der junge Mann vor zwei Wochen in einem Berliner Hotelzimmer. Der 21jährige Berufsschüler hatte sich mit Medikamenten getötet.

Gefunden wurde der junge Mann vor zwei Wochen in einem Berliner Hotelzimmer. Der 21jährige Berufsschüler hatte sich mit Medikamenten getötet. Seine Eltern erfuhren erst aus zurückgelassenen Aufzeichnungen, dass Mobbing in seiner Schule den Selbstmord ausgelöst hat. Seine Mutter, selbst Lehrerin, hat den Vorfall mit einem Aushang an ihrer Schule bekannt gemacht – damit Pädagogen vor diesem Problem nicht die Augen verschließen.

Diskutiert wurde der Selbstmord gestern beim zweiten „Berliner Anti-Mobbing-Tag“ in den Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung. Suizide als Folge von Mobbing sind selten. Über Suizidgedanken dagegen berichten viele Schüler, die regelmäßig Opfer von Hänseleien, Schikanen und Drangsalierungen werden.

Welches Ausmaß das Problem der so genannten „kleinen Gewalt“ hat, macht eine Studie des Robert-Koch-Instituts deutlich. Demnach sagt fast jeder dritte Berliner Schüler, dass er durch Mitschüler gemobbt wurde. Jeder zweite Junge und jedes dritte Mädchen hat sich an „Mobbing und Schikanen“ beteiligt.

Sogar in den Grundschulen wird in großem Umfang schikaniert. Bettina Schubert von der Senatsverwaltung für Bildung berichtete beim Anti-Mobbing-Tag von einem Sechstklässler, der ein Jahr lang gemobbt wurde und sich erst jetzt den Eltern offenbarte. Seine Mitschüler hätten ihn bespuckt, verhöhnt und geschlagen. Inzwischen leidet er an Angstzuständen. Die Täter gaben an, „ohne besonderen Grund“ so gehandelt zu haben.

Dass Eltern nie oder erst sehr spät von der Pein ihrer Kinder erfahren, ist keine Seltenheit. Laut Forschungsergebnissen wissen nur 50 Prozent der Eltern und 20 Prozent der Lehrer, wenn ihr Kind oder ihr Schüler Opfer wird. Aber auch wenn sie ins Vertrauen gezogen werden, ist das Problem noch nicht gelöst: Ohne professionelle Hilfe ist es schwierig, einen Schüler aus seiner Opferrolle zu befreien und den Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Um den Lehrern bei dieser Aufgabe zu helfen, hatten Friedrich-Ebert-Stiftung und Landesinstitut für Schule und Medien (Lisum) im September zum ersten Anti-Mobbing-Tag aufgerufen. „Mit 150 Anmeldungen hatten wir gerechnet, aber 750 wurden es“, berichtet Ursula Koch-Laugwitz von der Ebert-Stiftung. Deshalb wurde nun eine zweite Tagung organisiert. Eine dritte folgt im April.

Außerdem plant die Stiftung speziell für Lehrer an Oberstufenzentren eine Veranstaltung, um ihnen ein Mobbing-Interventionsprogramm an die Hand zu geben: Sie haben es mit besonders schwierigen, nicht selten schon straffällig gewordenen Schülern zu tun. Hilfreich dürfte auch die „Berliner Anti-Mobbing-Fibel“ sein, die gestern vorgestellt wurde.

Weitere Infos zu den Veranstaltungen und zu Walter Tagliebers Anti-Mobbing-Fibel im Lisum unter Tel. 9021-2800 oder im Internet unter www.lisum.de.

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