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Im Lager Al-Hol im Osten Syriens leben 60.000 Menschen, darunter auch Deutsche.

© Ali Hashisho/REUTERS

Nach Online-Dating in den Krieg: Haftstrafe für Berliner IS-Unterstützerin

Sie lernte ihren Mann über das Internet kennen und folgte ihm in den Krieg nach Syrien. Nun bekam Zeynep G. zwei Jahre und zehn Monate Haft.

Von Fatina Keilani

„Sie kommen jetzt frei.“ Mit diesen Worten schloss Detlev Schmidt am Freitag die Sitzung des 6. Strafsenats des Kammergerichts. Zuvor hatte Schmidt mehr als zweieinhalb Stunden lang das gerade verkündete Urteil begründet: Zwei Jahre und zehn Monate Haft für IS-Unterstützerin Zeynep G. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, wird G. noch etwa 22 Monate absitzen müssen.

Sie war in den Glaskasten im Sicherheitssaal wie immer durch einen unterirdischen Gang geführt worden, nun durfte G. den Saal durch die Tür verlassen. „Mir zittern die Knie“, sagte sie den Zuschauern im Vorbeigehen. Sie zieht nun vorläufig bei ihrer Mutter ein, bei der auch ihr Sohn wohnt. Dreimal wöchentlich muss sie sich auf dem für sie zuständigen Polizeiabschnitt melden. Gegen das Urteil ist Revision möglich. Verteidiger Dirk Schönian war noch nicht sicher, ob das Rechtsmittel eingelegt wird.

Verurteilt wurde die heute 34-Jährige wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. In dem rund ein Jahr dauernden Prozess hatte das Gericht viele Zeugen gehört und sich ein Bild von G., ihren Taten und der Motivlage zu machen versucht.

Die Angeklagte selbst hatte sich am zweiten Prozesstag umfänglich geäußert und geschildert, wie sie in das Ganze hineingeraten war – ihre Suche nach Liebe, nachdem der Vater die Familie verlassen hatte, ihre Bekanntschaft mit dem späteren Ehemann über eine Datingplattform im Internet, schließlich der Entschluss, zu ihm zu gehen, obwohl sie kaum etwas über ihn wusste. Im Oktober 2014 reiste sie von Berlin nach Syrien. Sie heiratete den Internetbekannten und machte ihm den Haushalt.

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Der Strafsenat ging davon aus, dass sie wusste, was sie tut. „Irgendeine naive, einfach gestrickte Person sind Sie nicht“, sagte Schmidt zu G.: „Sie haben das Abitur nachgemacht und ein Studium aufgenommen. Dazu passt nicht, dass man naiv durch die Welt geht und sagt: Ich weiß gar nicht, wo ich hingehe.“ So hatte Zeynep G. das im Verlauf des Prozesses teilweise dargestellt. Auch eine Reihe von Whatsapp-Nachrichten, die G. ihrer früheren Arbeitgeberin geschickt hatte, ließen den Schluss zu, dass sie sich mit dem salafistischen Gedankengut identifizierte.

Die Hauptbelastungszeugin Nancy S. hatte ebenfalls ausgesagt, G. sei „mit dem Herzen dabei“ gewesen. Wie glaubwürdig diese Zeugin ist, war ebenfalls Thema, denn S. war des Öfteren der Lüge überführt worden. Nach Feststellung des Gerichts traf dies jedoch nur bei Aussagen zu, die ihr eigenes Leben betrafen. Aussagen über Dritte seien, soweit überprüfbar, korrekt gewesen.

Strafmildernd wertete das Gericht es, dass sich G. inzwischen vom IS losgesagt habe, dass sie bisher straffrei gelebt und dass sie sich vor Gericht erklärt hat. Zudem hat sie im Lager Al-Hol und in türkischer Abschiebehaft gesessen, war lange von ihrem Kind getrennt und weiteren Belastungen ausgesetzt. Angerechnet wurden die Zeiten in Al-Hol und der türkischen Abschiebehaft jedoch nicht.

Im Anklagepunkt Verstoß gegen Völkerstrafgesetzbuch wegen Plünderei wurde sie freigesprochen, da nicht nachgewiesen werden konnte, dass die von ihr und ihrem zweiten Mann bewohnte Wohnung in Raqqa rechtswidrig in Besitz genommen wurde.

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