zum Hauptinhalt
SEK-Beamte stürmten am Donnerstag Wohnungen von mutmaßlichen Linksextremisten, unter anderem in der Rigaer Straße.

© Paul Zinken/dpa

Nach Rigaer-Razzia: Berliner Polizei erwartet Racheakte der linken Szene

Nach Razzien in mehreren Berliner Bezirken spricht die Polizei eine interne Warnung vor Vergeltungsaktionen aus. Grund sind auch Drohungen per Twitter.

Die Berliner Polizei hat am Donnerstag nach den Durchsuchungen in der Rigaer Straße eine interne Sicherheitswarnung herausgegeben. Demnach rechnet die Polizei mit gewaltsamen Vergeltungsaktionen der linksextremen Szene. Wörtlich heißt es in der internen Meldung: "In den folgenden Tagen bzw. Nächten werden dezentrale Aktionen als wahrscheinlich erachtet." Auf einer Skala von 8 (niedrig) bis 1 (am höchsten) ist eine Gefährdungsstufe von 3 ausgerufen worden. Bis Freitagnachmittag verzeichnete die Polizei allerdings keine Attacken aus der linken Szene. Die Nacht zu Freitag sei ruhig verlaufen, heißt es.

Die Polizei geht von mehreren Szenarien aus: Zu rechnen sei - wie es in der Warnmeldung heißt - mit Sachbeschädigungen an Fahrzeugen und Gebäuden der Polizei, mit "Sachbeschädigungen (durch Farbe)" etwa an "Jobcentern, Banken, Immobilienbüros, Wohngebäuden, Wahlkreisbüros, Senatsobjekten". Auch könnten Müllcontainer sowie Firmen- und Privatfahrzeuge in Brand gesetzt werden.

Die Polizei nimmt bei der Einschätzung der Gefahrenlage auch Bezug auf entsprechende Drohungen bei Twitter. Darin ist unter Hinweis auf die Durchsuchung in der Rigaer Straße dazu aufgerufen worden, Polizeigebäude zu erstürmen und dort zu schießen. Alle Einsatzkräfte der Polizei sollen deshalb, so die interne Warnung, "im Hinblick auf Fahrzeug-, Gebäude- und Eigensicherung" sensibilisiert werden. 

Was die Sicherheitswarnung über den Einsatz aussagt

Dabei weist die Polizei auch auf eine entsprechende Gefährdungsbewertung des Staatsschutzes beim Landeskriminalamt (LKA) hin, die am Donnerstagmorgen mit Beginn der Durchsuchungen an die Dienststellen verschickt wurde. Zudem wird intern darauf verwiesen, dass nun die linke Szene über Berlin hinaus mobilisiert werden könnte: So werden etwa die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Hambacher Forst genannt.

Ein ranghoher Beamter sagte dem Tagesspiegel: Die Sicherheitswarnung zeige, dass intern allen bis hoch zur Polizeiführung und zur Verwaltung von Innensenator Andreas Geisel (SPD) klar gewesen sein müsse, welche Folgen die Art und Weise der Durchsuchung haben könnte.

Der Einsatz des Spezialeinsatzkommandos (SEK) mit Sturmgewehren sei völlig unnötig gewesen und könnte von der linksextremen Szene als Kampfansage und bewusste Provokation gewertet werden. Besonders problematisch sei, dass die Polizei gewusst habe, was dieser Einsatz auslösen könne. Die zeigten mehrere am Donnerstag intern verschickte Meldungen zur Gefahrenbewertung.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Am Donnerstagmorgen hatte die Berliner Polizei mit einem Großaufgebot von 560, teils schwer bewaffneten Beamten Wohnungen mutmaßlicher Linksextremisten durchsucht: In der Rigaer Straße 94, in der Grünberger Straße (Friedrichshain), der Reichenberger Straße (Kreuzberg) sowie am Maybachufer (Neukölln). Vier Verdächtige - drei Männer (23, 25, 25 Jahre alt) sowie eine 25-jährige Frau - seien angetroffen und überprüft worden. Ein 23-Jähriger wurde vorübergehend festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. 

Attacke auf einen Späti

Die Staatsanwaltschaft hatte die Durchsuchungen vor Gericht beantragt. Die Ermittler suchten Beweismaterial zu einer Attacke vom Mai auf einen Späti in der Reichenberger Straße. Damals hatte eine Frau aus der Rigaer Straße in dem Späti ein Paket abholen wollen. Der Späti-Inhaber hatte die Herausgabe verweigert - weil die Frau keinen Personalausweis, sondern nur eine Krankenkassenkarte dabei hatte.

Stunden später kam ein Trupp Männer zurück, griff den Verkäufer an und zerstörte das Inventar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung gegen sieben mutmaßliche, identifizierte Täter. Bei den Durchsuchungen wurden Kleidung, Schuhe, Handys und Laptops beschlagnahmt.

Innensenator Andreas Geisel (SPD) erklärte, es gebe keinen politischen Hintergrund der Durchsuchungen. "Der Rechtsstaat kennt keine weißen Flecken. Wir setzen die Regeln an allen Orten der Stadt um", sagte Geisel. Es handle sich um Ermittlungen im kriminellen Milieu. 

Der Berliner Anwalt Sven Richwin sagte hingegen, die Razzia habe wie eine Inszenierung der Innenbehörde gewirkt. Der Einsatz habe der Öffentlichkeit offenbar suggerieren sollen, dass die Beschuldigten gefährlich seien. Aus einer gefährlichen Körperverletzung vor sechs Monaten lasse sich aber wenig erklären.

Zur Startseite