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Berlin: Nach Sprung aus Fenster: Asylewerber darf bleiben

Ende November sprang Davut K. auf der Flucht vor der Polizei aus dem Fenster einer Charlottenburger Psychotherapeutenpraxis.

Ende November sprang Davut K. auf der Flucht vor der Polizei aus dem Fenster einer Charlottenburger Psychotherapeutenpraxis. Die Beamten hatten die Praxis mit gezogenen Pistolen gestürmt. Jetzt ist klar, dass der 17-Jährige wahrscheinlich in Deutschland bleiben können wird. Die Chancen, dass Davut K. als Asylbewerber anerkannt wird, schätzt seine Anwältin Kerstin Rauls gut ein: "Schließlich müsste er eine Gefängnisstrafe antreten, wenn er in die Türkei abgeschoben wird."

Aus dem Fenster sprang Davut K. weil er seine Abschiebung fürchtete. Bei dem Sturz aus dem zweiten Stock wurde der 17-Jährige schwer verletzt. In der Türkei hatte ihn ein Militärgericht wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer zwölf-jährigen Haftstrafe verurteilt - als 15-Jährigen. Unter Folter erklärte er sich in der Haft bereit, für den türkischen Geheimdienst zu arbeiten. Deshalb wurde er freigelassen, die Freilassung nutzte er vergangenen Juni zur Flucht nach Deutschland. Aber das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchlinge zweifelte seine Geschichte an. Es bezeichnete die Unterlagen über den Gefängnisaufenthalt als gefälscht und lehnte seinen Asylantrag als offensichtlich unbegründet ab. Erst als seine Anwältin einen Anwalt in der Türkei einschaltete, gelang es, die Echtheit der Unterlagen zu belegen. Eine Woche nach dem Sprung aus dem Fenster verfügte das Verwaltungsgericht Magdeburg: Davut K. darf bleiben. Das Bleiberecht ist befristet, bis das Gericht endgültig über den Asylantrag des Kurden entscheidet. Das kann nach Auskunft seiner Anwältin zwei Jahre dauern.

Nach dem Sturz aus dem Fenster liegt Davut K. immer noch im Universitätsklinikum Benjamin Franklin in Steglitz. Inzwischen geht es ihm nach Auskunft seines Psychotherapeuten Dietrich Koch wieder verhältnismäßig gut: "Er hatte einen komplizierten Beckenbruch, die Wirbelsäule war angebrochen, aber er wird wahrscheinlich keine bleibenden Schäden zurückbehalten." Noch aber sitzt er im Rollstuhl.

Schwerwiegende Folgen hatte der Polizeieinsatz aber nicht nur für Davut K. persönlich. "Für uns war das das Schlimmste, was passieren konnte", sagt Psychotherapeut Koch. Sechzig Prozent seiner Patienten sind Folteropfer, Menschen, die in der Regel schlimme Erfahrungen mit der Polizei haben. "Die werden durch so etwas sofort wieder traumatisiert", sagt Koch. Gegen die Polizeibeamten, die im November seine Praxis stürmten, hat er eine Dienstaufsichtsbeschwerde eingereicht.

akr

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