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Petra Pau (Bildmitte) beim Gedenken an die Opfer des Holocausts in Berlin-Marzahn. Die Teilnahme der AfD sorgte für Proteste.

© Robert Kiesel

Nach Tumulten bei NS-Gedenken: Linke-Abgeordnete Petra Pau kritisiert Einsatztaktik der Polizei

Am Tag danach fordert die Bundestags-Vizepräsidentin parlamentarische Aufarbeitung. Mitglieder der AfD nennt sie „Heuchler“.

Einen Tag nach dem von Tumulten begleiteten Gedenken an Opfer des Holocausts auf dem Marzahner Parkfriedhof hat Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) die Einsatztaktik der Polizei kritisiert.

Insbesondere der Einsatz von Polizeihunden auf dem Friedhof sei „völlig unangebracht“ gewesen und habe „die Situation vor Ort ganz sicher nicht beruhigt“, erklärte Pau dem Tagesspiegel. Die 56-Jährige hat ihren Wahlkreis seit 2005 in Marzahn-Hellersdorf und zog dort vier Mal in Folge direkt in den Bundestag ein.

Sie könne nicht nachvollziehen, warum selbst eindeutig als Teilnehmer des Gedenkens zu erkennenden Menschen der Zugang zunächst verwehrt worden war, sagte Pau weiter und bezog sich dabei unter anderem auf Petra Rosenberg.

Der Vorsitzenden des Berliner Landesverbandes der Sinti und Roma war, genau wie den Veranstaltern des Gedenkens, der Zugang zur Veranstaltung zunächst verwehrt worden. Erst mit deutlicher Verspätung ließ die Polizei die Menschen auf den Friedhof, weshalb die Veranstaltung selbst rund 20 Minuten später als geplant stattfinden konnte. Unter den Wartenden auf dem Friedhof: Petra Pau sowie etwa 15 Mitglieder der AfD.

Die Polizei selbst begründete ihr Vorgehen in einer am Samstagabend veröffentlichten Pressemitteilung damit, „potenzielle körperliche Konfrontationen“ zwischen „einzelnen Teilnehmenden des stillen Gedenkens am Gedenkort“ verhindern zu wollen.

15 AfD-Mitglieder gegen 200 Demonstranten

Befürchtet wurde ein direktes Aufeinandertreffen zwischen Demonstranten und Mitgliedern der AfD, darunter die Abgeordnetenhausmitglieder Jeannette Auricht und Gunnar Lindemann. Gegen deren Teilnahme am Gedenken hatten mehr als 200 Menschen zunächst vor und später auf dem Friedhof mit Sprechchören und Transparenten protestiert.

Während der Veranstaltung selbst kam es zu Rangeleien mit der Polizei und einem Angriff auf den von der AfD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung von Marzahn-Hellersdorf gestifteten Gedenkkranz.

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Im Nachgang kritisierten Vertreter der für die Proteste mitverantwortlichen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten, dass Angehörigen von Holocaust-Opfern der Zugang zum Gedenken verwehrt worden war. Lindemann wiederum sprach von „gewaltbereiten Linksextremen“, die „Krawall“ gemacht und so das Gedenken gestört hätten.

Pau forderte, genau wie vor ihr bereits die Bundestagsabgeordnete Canan Bayram (Grüne), eine Aufarbeitung der Geschehnisse durch den Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Zuvor hatte sich unter anderem auch Linken-Parteichef Bernd Reixinger in der Sache geäußert und erklärt, die AfD habe „auf diesem Friedhof nichts verloren. Das Verhalten Polizei ist unerträglich!“.

Nachspiel im Abgeordnetenhaus

Klar scheint schon jetzt: Sollte das Gedenken im kommenden Jahr wieder stattfinden, dann in einem anderen Rahmen. Sowohl Vertreter des Bezirksamts von Marzahn-Hellersdorf sowie Mitglieder des BVV-Vorstands hatten noch am Samstag erklärt, künftig eine andere Konstellation für die Organisation der Veranstaltung wählen zu wollen.

Da bislang BVV und Heimatverein gemeinsam als Veranstalter auftreten, kann die in der BVV vertretene AfD nicht ausgeladen werden. Angesichts der im vergangenen Jahr für die Beteiligten überraschenden und in diesem Jahr massiven Proteste müsste neue Verfahren gewählt werden, so die einhellige Meinung.

Unterdessen tobt im Internet und allen voran in den sozialen Netzwerken der Kampf um die Deutungshoheit. Während linke Gruppen das Verhalten der Polizei skandalisieren, werfen die AfD und deren Anhänger den Demonstranten vor, die ursprünglich als „stilles Gedenken“ geplante Veranstaltung gestört und für ihre Zwecke instrumentalisiert zu haben. Pau erklärte mit Blick darauf: „Es ärgert mich maßlos, dass die Heuchler der AfD im Netz Oberwasser haben.“

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