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Der neue Vorsitzende des Landesverbandes der Multiple-Sklerose-Gesellschaft, Kristian Röttger, setzt auf Transparenz.

© Kai-Uwe Heinrich

Nach Turbulenzen: Neuanfang bei Sklerose-Gesellschaft

Die mittlerweile gekündigte Geschäftsführerin soll Gelder veruntreut haben, die Ermittlungen laufen noch. Der Neuanfang bei dem Verband soll unter einem neuen, ehrenamtlich arbeitenden Vorstand gelingen.

Sie haben sich viel vorgenommen. Der neue Vorstand des Berliner Landesverbandes der Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft (DMSG) hat im Gespräch mit dem Tagesspiegel einen kompletten Neuanfang bei der Organisation angekündigt, die im Herbst wegen des finanziellen Gebarens der bisherigen Geschäftsführerin in die Schlagzeilen geraten war. Die DMSG berät und betreut Menschen, die an der Autoimmunkrankheit leiden, und finanziert sich zu rund zwei Dritteln aus staatlichen Zuschüssen sowie aus Stiftungsgeldern, Erbschaften und Spenden. Da der Verein durch die Affäre einen Ansehensverlust in der Öffentlichkeit, aber auch bei den Mitgliedern befürchtet, geht es jetzt darum, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen, sagen die neuen Vorstandsmitglieder.

Das erste Zeichen des Aufbruchs ist, dass der Vorstand des 2200 Mitglieder starken Vereins kürzlich komplett neu gewählt wurde. Der geschäftsführende Vorstand besteht jetzt aus drei gut vernetzten Menschen, die mit den bisherigen Vereinsstrukturen nichts zu tun haben und den Neuanfang schon personell verkörpern – auch weil sie, anders als frühere Vorstände des Vereins, selbst Betroffene der chronischen Erkrankung sind: Den Vorsitz führt der Fernsehjournalist und Medienberater Kristian Röttger, der seit 1997 mit der Diagnose Multiple Sklerose lebt. Vizevorsitzende sind die als Referatsleiterin in der öffentlichen Verwaltung arbeitende Juristin Karin Klingen, die ebenfalls selbst von der Autoimmunkrankheit betroffen ist und sich bislang unter anderem im Vorstand des Netzwerks behinderter Frauen engagierte, sowie die zweimal als Vorkämpferin für die Rechte behinderter Frauen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Ärztin Sigrid Arnade, die seit 1977 an MS erkrankt ist.

Der Vorstand löst die bisherige Führung unter der Chefärztin der Neurologie im Jüdischen Krankenhaus Berlin, Judith Haas, ab. Ihr war von Mitgliedern vorgeworfen worden, bei der Aufklärung der finanziellen Unregelmäßigkeiten nicht energisch genug vorgegangen zu sein.

Eine der ersten Aufgaben des neuen ehrenamtlich arbeitenden Vorstands war die juristische Auseinandersetzung mit der bisherigen hauptamtlichen Geschäftsführerin, der, wie berichtet, vorgeworfen wurde, unzulässig viel Geld für durch die Satzung nicht gedeckte Zwecke ausgegeben zu haben. Sie war nach Bekanntwerden der Vorwürfe vom alten Vorstand fristlos entlassen worden und hatte dagegen geklagt. Nun einigten sich die Frau und die Sklerose-Gesellschaft vor Abschluss des Arbeitsgerichtsverfahrens auf einen Vergleich: Die Ex-Geschäftsführerin, die 17 Jahre lang für den Verein gearbeitet hatte, akzeptiert die Kündigung und erhält im Gegenzug gut ein Monatsgehalt.

Parallel dazu läuft allerdings weiter ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen die Frau wegen des Vorwurfs der Untreue. Dabei geht es um Ausgaben in Höhe von bis zu 20000 Euro für Essensrechnungen, externe Aufträge oder Fördergelder, deren satzungsgemäße Verwendung umstritten ist. Die Staatsanwaltschaft bestätigt auf Anfrage, dass ein Anfangsverdacht mit „ausreichenden Anhaltspunkten“ vorliegt, um Ermittlungen aufzunehmen.

Die dritte Baustelle des neuen Vorstands ist die interne Struktur des Vereins. Nach „langen Jahren der Schattenwirtschaft“, wie der Vorstandsvorsitzende Kristian Röttger es nennt, gehe es nun darum, mehr Transparenz und Verantwortlichkeit in die Abläufe des Vereins zu bringen. So wurden zwei Revisoren gewählt, die die Unterlagen auf Unregelmäßigkeiten überprüfen. Die neue Geschäftsführung – die durch die Kündigung frei gewordene Stelle ist ausgeschrieben – wird künftig bei allen Ausgaben vom Vorstand kontrolliert. „Die Mitglieder sollen genau sehen, woher das Geld kommt und wohin es geht“, sagt Karin Klingen. Das solle, anders als bisher, künftig selbstverständlich sein.

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