zum Hauptinhalt
Machen sich Juden in Deutschland durch das Tragen der Kippa angreifbar?

© dpa

Nach Überfall auf Rabbiner: "Wir müssen unsere Kultur zeigen können"

In Friedenau wurde ein Rabbiner brutal attackiert. Weil er eine Kippa trug, war seine Religionszugehörigkeit leicht zu erkennen. Eine permanente Gefahr? Wie erleben jüdische Schüler ihren Alltag?

Kapuzen, Kippa, Basecaps, ein Hut und viele trotz des Regens auch ganz ohne Kopfbedeckung. An der Jüdischen Oberschule in Mitte zeigt sich am morgendlichen Schulweg, wie unterschiedlich offen die Schüler und Schülerinnen mit ihrer jüdischer Identität umgehen.

Elijahu kommt mit Rucksack, dunklem Hut und Vollbart in die Schule. Auf der Straße wird der 21-Jährige als Jude erkannt, sagt er. Angst habe er nicht, und bis auf ein Schimpfwort vor zwei Jahren habe er bisher keine schlechten Erfahrungen gemacht. Seinen Hut trägt er nicht, um die Kippa zu verstecken, sondern ebenfalls als Ausdruck seiner Religiosität. „Die Kippa erinnert mich an Gott“, sagt Elijahu. „Wenn ich sie anfasse, bin ich beruhigt.“

Zwei Mädchen tragen T-Shirts mit dem Schriftzug „I love Israel“, die sie sich auf einer Klassenfahrt in Israel gekauft haben. Auch sie seien deswegen bisher nicht angefeindet worden. Der 16-jährige Balthasar sieht die Kippa ohnehin mehr bei Eltern als unter Mitschülern. Er selbst ist nicht jüdisch, trägt die Kopfbedeckung aber wie alle Schüler beim koscheren Mittagessen in der Mensa. „Aus Respekt“, sagt er, „und weil es sonst kein Essen gibt.“

420 jüdische und nichtjüdische Schüler besuchen die Jüdische Oberschule. Davon ist eine kleine Gruppe von vielleicht zehn Schülern orthodox und trägt täglich die Kippa, sagt die Schulleiterin Barbara Witting. Im unmittelbaren Umfeld der Schule sieht sie kein Problem, sich auf der Straße als jüdisch zu erkennen zu geben. Trotzdem sei jüdischer Glaube für manche Menschen nach wie vor ein rotes Tuch. In manchen Bezirken schätzt es Witting als riskanter ein, sich als jüdischer Junge zu outen und würde empfehlen, eine Kappe über die Kippa zu tragen, wie es auch der einzige religiöse Lehrer an der Schule täte, um sich möglichen Angriffen erst gar nicht auszusetzen. Eine offizielle Empfehlung für die orthodoxen Schüler zum Umgang mit der Kippa gebe es nicht, sagt Witting.

Nach dem Angriff auf den Rabbiner Daniel Alter sieht sie keinen besonderen Handlungsbedarf. „Ich hoffe, das war ein Einzelfall“, sagt Witting. In der Schule fühle man sich sicher. Zum ständigen Personal gehören zwei Polizisten und zwei Mitarbeiter des israelischen Sicherheitsdienstes, die den Eingang kontrollieren und schulfremde Personen nur mit Anmeldung einlassen. Es sei Ziel der Schule, die Identität der Kinder zu stärken und ihnen Wege zu zeigen, wie sie in einer Gesellschaft leben können, in der sie eine Minderheit sind. „Wir möchten nicht, dass unsere Kinder duckmäuserisch durch die Straße gehen“, sagt Schulleiterin Witting.

„Wir müssen unsere Kultur zeigen dürfen“, meint die 17-jährige Violetta, die mit drei Freundinnen auf dem Weg zum Unterricht ist. Der Angriff auf den Rabbiner sei in der Schule diskutiert worden. Empfehlungen seitens der Eltern oder der Schule zum Tragen der Kippa habe es nicht gegeben. „Das kann jeder selbst entscheiden“, sagt sie.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false