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Freiraum. In der eigenen Wohnung darf jeder rauchen – noch.

© dpa

Nach Urteil in Düsseldorf: Rauchverbot in der eigenen Wohnung - in Berlin noch kein Thema

Ein Düsseldorfer Richter hält Wohnungskündigung wegen zu viel Qualms für rechtmäßig. In Berlin hat es so etwas zwar noch nicht gegeben, aber die Sensibilität ist gestiegen. Ist die Wohnung als eines der letzten Rückzugsgebiete für Raucher in Gefahr?

Von Sandra Dassler

„Nee“, sagt die Mitarbeiterin einer großen Wohnungsbaugesellschaft in Berlin: „So was hat es bei uns noch nicht gegeben. Zum Glück. Ich war empört, als ich das in der Zeitung gelesen habe.“ Die Meldung war kaum zu übersehen. „Die letzte Bastion der Raucher wankt“, „Rauchen in Wohnung verboten“ – fast alle Medien haben über die Entscheidung eines Düsseldorfer Richters berichtet. Der hatte den Antrag eines 74-Jährigen auf Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil er kaum Erfolgschancen für die Klage des Rentners gegen die Kündigung seiner Wohnung sah. Die Vermieterin hatte das mit der nicht hinnehmbaren Geruchsbelästigung für die anderen Hausbewohner begründet und darauf verwiesen, dass sie den Mann mehrfach abgemahnt und aufgefordert habe, weniger zu rauchen.

„Das ist ja noch längst kein Urteil in der Sache“, sagt Ulrich Ropertz, Sprecher des Deutschen Mieterbunds: „Außerdem ist das nur ein Amtsrichter in Düsseldorf, hier in Berlin hätte das keine Relevanz. Und hier hat es so einen Fall auch noch nicht gegeben und wird es hoffentlich auch nicht geben.“ Der Mieterbund-Sprecher will den Ball offenbar flach halten. Nach dem Rauchverbot an vielen Arbeitsplätzen, öffentlichen Orten und Gaststätten ist die Wohnung eines der letzten Rückzugsgebiete für Nikotinabhängige.

Rauchen in der Wohnung und auch auf dem dazugehörigen Balkon ist in Deutschland grundsätzlich erlaubt, sagt Ropertz. Laut Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) verhalte sich ein in seiner Wohnung rauchender Mieter nicht vertragswidrig. Allerdings könne er für Instandsetzungskosten haften, wenn sich der entstandene Nikotingeruch nicht mit Streichen oder Tapezieren beseitigen lässt. Die Rechte der im Zweifel mit-rauchenden Nachbarn wurden jedoch in den vergangenen Jahren gestärkt. Sie dürfen in Berlin laut Gerichtsbeschluss ihre Miete bis zu zehn Prozent mindern, wenn der Tabakrauch in ihre Wohnung zieht.

„Das ist immer noch viel zu wenig“, sagt Henry Stahl, Sprecher der Nichtraucherinitiative Forum Rauchfrei mit Sitz in Berlin: „Wenn Nikotinkranke sich selbst langsam töten, ist das ihre Sache, denn Suizid ist in Deutschland nicht verboten. Dass sie aber ihre Nachbarn mit in den Tod ziehen, muss gesetzlich verboten werden“. Stahl kritisiert, dass Deutschlands Juristen in Sachen Nichtraucherschutz der „gesellschaftlichen Realität hinterherhinken.“ Für ihn ist es auch schon Körperverletzung, wenn ihm jemand im Vorübergehen unbeabsichtigt Rauch ins Gesicht blase, sagt er. Einwände, wonach man ja auch keine Knoblauch- oder strenge Essensgerüche verbieten könne, findet er nicht überzeugend. „Davon bekommt man weder Krebs noch Durchblutungsstörungen, noch wird man impotent“, argumentiert er. Allerdings könne sich das Forum Rauchfrei derzeit nicht um die Wohnungen kümmern: „Gerade in Berlin haben wir schon genug damit zu tun, das immer wieder ignorierte Rauchverbot in öffentlichen Gaststätten anzuprangern.“

Reiner Wild, langjähriger Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, beobachtet eine gewachsene Sensibilität vieler Menschen. „Die Frage des Rauchens auf den Balkonen beispielsweise wurde und wird auch weiter ausgiebig diskutiert“, sagt er – auch wenn Gerichte immer wieder festgestellt hätten, dass das Rauchen dort grundsätzlich erlaubt sei.

Die gemietete Wohnung müsse ein weitgehend freier Gestaltungsraum bleiben, sagt Wild: „Aber auch dafür gibt es Grenzen. Und die bestehen in der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Mitbewohner.“ Der Mieterverein Berlin biete betroffenen Rauchern und Nichtrauchern Mediationsverfahren und Konfliktberatung an. Die auch genutzt werden, denn abgesehen von Mietminderung haben jene, die sich vom Rauch beeinträchtigt fühlen, wenig Chancen, sich zu wehren. „Abhilfe schaffen können nur die Vermieter“, sagt Wild. Sie dürfen schon jetzt in Treppenhäusern und Gemeinschaftsräumen das Qualmen verbieten. Bei besonders exzessiven und uneinsichtigen Rauchern müssen sie aber weiter die Gerichte bemühen.

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