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Nach Urteil: Kita-Bündnis fordert Politikwechsel

Senat gesteht Niederlage ein, will aber an beitragsfreier Betreuung festhalten. Experten loben das Urteil des Gerichts, dass das Kita-Plebiszit für verfassungsgemäß erklärt hat.

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Die Kita-Politik könnte in Berlin vor einem Wendepunkt stehen: Denn mit der Entscheidung des Landesverfassungsgerichtshofs, der das Kita-Plebiszit für verfassungsmäßig zulässig erklärt hat, gerät der Senat politisch unter Druck, sich mit den Forderungen des Landeselternausschusses LEAK zu beschäftigen. „Wir wollen Teilzeitplätze für alle Kinder ab drei Jahren, bezahlte Vor- und Nachbereitungszeiten für die Erzieher und einen besseren Leitungsschlüssel“, fasste Initiator Burkhard Entrup die Kernforderungen des Volksbegehrens zusammen.

Er sei glücklich, dass ihn das Gericht nun dazu ermutigt habe, weiter für diese Ziele zu kämpfen. Das Kita-Gesetz war im vergangenen Jahr vom Senat gestoppt worden. „Wir haben verloren“, erklärte Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nun nach der Urteilsverkündung. Durch eine verstärkte Volksgesetzgebung könne man allerdings nicht automatisch das Geld vermehren, das nötig sei. Die Parlamentarier haben nun vier Monate Zeit, über die Forderungen der Initiative zu entscheiden. Für den Fall, dass sie die Forderung der Initiative ablehnen, muss Entrup wieder Unterschriften für den Volksentscheid sammeln.

Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) teilte mit, er werde dennoch an der geplanten Beitragsfreiheit für alle Berliner Kita-Kinder festhalten. Die Beitragsfreiheit ist unter Experten umstritten, gefordert wird vielfach eine bessere Qualität der Einrichtungen. Lob für das Urteil kam deshalb von vielen Pädagogen. „Das ist ein gutes Urteil, und wir werden die Initiative weiter unterstützen“, sagte Martina Castello vom Kita-Verband SüdWest. „Ich gehe davon aus, dass sich die Rahmenbedingungen in den Kitas spürbar verbessern werden“, sagte FU-Bildungsexpertin Christina Preissing.

Das Urteil des Verfassungsgerichts ist aus Sicht vieler Politiker weit über den aktuellen Fall hinaus bedeutsam. Für Uwe Goetze, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, könnte die Gerichtsentscheidung zum Kita-Begehren das Verhältnis des Volkes zur Politik grundlegend verändern: „Es gibt jetzt die Möglichkeit, sehr kostenträchtige Dinge zu bestellen.“ Mit denen müsse das Parlament dann umgehen – indem es sie durch Einsparungen an anderer Stelle oder durch neue Schulden finanziert. Die Anliegen von Volksbegehren einfach abzulehnen, verbietet aus Goetzes Sicht das parlamentarische Selbstverständnis als Volksvertretung. Goetze liefert noch ein weiteres denkbares Resultat der neuen Ausgangslage: „Es könnte ja auch ein Volksbegehren zur Einführung einer Schuldenbremse geben.“ Was wiederum spätere, kostspielige Begehren ausbremsen oder das Land zu radikalen Einschnitten an anderer Stelle zwingen könnte. Für Goetze ergibt sich daraus eine durchaus positive Gemengelage. Auch FDP-Fraktionsvize Björn Jotzo sieht durch das Urteil mehr Verantwortung beim Bürger – und findet die Entscheidung erfreulich im Sinne der direkten Demokratie. Zu der gehöre auch, dass das Volk auch in Budgetfragen mitentscheiden dürfe.

Nachdenklicher äußert sich Klaus Lederer, Landeschef der Linken: Das Parlament müsse nun „auch vermitteln, dass jede neue Ausgabe gegenzufinanzieren ist und dass bei begrenzten Finanzmitteln Prioritäten politisch ausgehandelt werden müssen. Das wird nicht problemlos und konfliktfrei ablaufen.“ SPD-Fraktions- und -Landeschef Michael Müller rechnet ebenfalls mit solchen Konflikten – und merkt an, dass die reale Verfügungsmasse im Landeshaushalt weit unter zwei Milliarden Euro pro Jahr liege. Gemessen daran seien die Kosten von bis zu 212 Millionen Euro für die Ziele des Kita- Begehrens trotz aller inhaltlichen Sympathie ein dicker Brocken. „Wir streiten in den Haushaltsberatungen erfahrungsgemäß meist um deutlich kleinere Summen.“

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