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Das Kammergericht am Kleistpark Berlin.

© Mike Wolff, Tsp

Nach Virus-Befall am Berliner Kammergericht: Justizsenator Dirk Behrendt unter Druck

Nach einem Virus-Befall am Berliner Kammergericht gerät Justizsenator Dirk Behrendt ins Visier des Rechtsausschusses. Der will sich bald mit dem Fall befassen.

Nach dem Virus-Befall des IT-Systems am Berliner Kammergericht und Berichten über den leichtfertigen Umgang mit Datenschutzregelungen im Arbeitsalltag der dort tätigen Richter steigt der Druck auf Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Sowohl die Fachpolitiker der rot-rot-grünen Koalition als auch Vertreter von CDU und FDP beantragten am Donnerstag einen Besprechungspunkt zur Lage am Kammergericht in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses im Abgeordnetenhaus.

Kritik an technischer Ausstattung des Gerichts

Neben Behrendt soll Kammergerichtspräsident Bernd Pickel den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Pickel hatte am Mittwoch eine für heute geplante Vortragsreise nach China abgesagt. Am Donnerstagmorgen nahm er in der Senatsjustizverwaltung an einer Sitzung mit Staatssekretärin Daniela Brückner teil.

Anwesend war auch Brückners am 1. August pensionierte Amtsvorgängerin, Martina Gerlach. Gerüchte, Gerlach sei extra anlässlich des Virenbefalls im Kammergericht reaktiviert worden, wies Justizsprecher Michael Reis zurück. Sie sei „in gewisser Weise beratend“ tätig.

An Behrendt adressiert erklärte Sven Kohlmeier, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion: „Man kann den Richtern keinen Vorwurf machen, wenn sie mit USB-Sticks arbeiten. Der Dienstherr muss ihnen eine ordentliche Infrastruktur bereitstellen.“ Das nötige Geld für die Erneuerung der IT-Systeme an den Berliner Gerichten sei da. „Nur der Mittelabruf funktioniert nicht“, sagte Kohlmeier.

Dessen Amtskollege in der Linksfraktion, Sebastian Schlüsselburg, erklärte mit Blick auf die nächste Sitzung des Rechtsausschusses am 30. Oktober: „Klar ist, dass wir die technischen Probleme umgehend lösen und auch die DatenschutzStandards durchsetzen müssen.“

Datenverlust wurde offenbar verhindert

Aus dem Kammergericht hieß es am Donnerstag, der Vorfall sei „unter Kontrolle“. Ein Datenverlust habe verhindert werden können, die Infizierung sei nicht über einen USB-Stick erfolgt. Dieses war vermutet worden, weil der Datentransfer zwischen Arbeits- und Privatcomputern der Richter über private USB-Sticks offenbar Alltag war. Justizsprecher Reis wies zu Recht darauf hin, dass diese Praxis nach dem Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes genehmigt sei.

Tatsächlich heißt es darin aber auch: „Der dienstaufsichtsführenden Stelle ist der beabsichtigte Einsatz der Geräte anzuzeigen.“ Außerdem solle mitgeteilt werden, welche Maßnahmen zum Schutz der Daten Betroffener ergriffen werden. Berichte aus dem Arbeitsalltag der Richter lassen Zweifel daran aufkommen, dass das geschehen ist.

Unterdessen wurde bekannt, dass die IT der Ordentlichen Gerichtsbarkeit (ITOG), zuständig für alle Gerichte des Straf- und Zivilrechts, unterbesetzt ist. Derzeit sind Tagesspiegel-Informationen zufolge zehn der 40 zur Verfügung stehenden Stellen vakant.

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