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Einer von insgesamt weniger Berlinern als bislang angenommen auf einer Wiese im Tiergarten.

© dpa

Nach Volkszählung fehlen 500 Millionen: Weniger Menschen, weniger Geld: Berlin muss sparen

Nach dem neuen Volkszählungsergebnis hat Berlin weniger Einwohner als gedacht - und erhält damit eine halbe Milliarde weniger aus dem Länderfinanzausgleich. Was könnte die Stadt mit dieser Summe tun?

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Berlin spart bereits an allen Ecken und Enden. Also wo kann man überhaupt noch den Rotstift ansetzen, ohne die Lebensqualität und den sozialen Frieden in der Stadt allzu sehr zu gefährden? Das fragten sich am Sonnabend die Mitglieder aller Fraktionen im Abgeordnetenhaus, nachdem sie am Freitag von einer „absoluten Hiobsbotschaft“ überrascht worden waren, so CDU-Fraktionschef Florian Graf. Wie berichtet, hat Berlin nach dem neuen Volkszählungsergebnis exakt 179 391 Einwohner weniger als gedacht. Und das hat dramatische finanzielle Folgen. Denn die hochverschuldete Stadt erhält dadurch aus dem Länderfinanzausgleich künftig pro Jahr fast eine halbe Milliarde Euro weniger und sie muss schon erhaltene Gelder zurückzahlen. Für 2011 bis 2013 summiert sich das auf eine Milliarde Euro.

Allerdings dürfte Berlin diesen Betrag durch die gestiegenen Steuereinnahmen ein wenig kompensieren. Intern rechnet man mit einer halben Milliarde Euro, die das hochverschuldete Land letztlich durch die Rückzahlung an den Bund verliert. Angesichts der laufenden Haushaltsberatungen für den Doppelhaushalt 2014/2015 erwartet Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) nun Mäßigung bei den finanziellen Wünschen seiner Senatskollegen und des Parlaments. Für Nußbaum ist das Ergebnis der Volkszählung ein „Rückschlag auf dem Weg zum ausgeglichenen Haushalt“.

Eine halbe Milliarde Euro weniger pro Jahr: Was ließe sich mit dieser Summe bezahlen? Zum Beispiel die Sanierung nahezu aller Schlaglöcher auf Berlins teils holprigen Straßen. Hier wird der Gesamtbedarf auf knapp 600 Millionen Euro geschätzt, aber für 2013 hat der Senat den Bezirken nur 37 Millionen Euro zur Ausbesserung bewilligt. Der Sanierungsstau bei Berlins rund 700 öffentlichen Schulen ist noch größer. Eine Milliarde würden mindestens benötigt, um die vielen maroden Toiletten und Klassenzimmer zu modernisieren und die Gebäude energetisch zu dämmen, heißt es. Doch immerhin die Hälfte des Bedarfs ließe sich mit 500 Millionen schon mal erledigen. Wie angespannt dagegen schon jetzt die Finanzsituation ist, zeigt sich beim Streit um den Ausbau der Radwege: Hier wird um wenige Millionen gefeilscht. Anderseits machte der Senat 2012 einen Zuschuss für den neuen Hauptstadtflughafen BER von 444 Millionen Euro locker, der im Haushalt gar nicht eingeplant war.

CDU-Fraktionschef Florian Graf forderte am Sonnabend auf dem CDU-Parteitag Finanzsenator Nußbaum auf, er müsse nun darlegen, „welche konkreten Auswirkungen die künftig verminderten Einnahmen auf den laufenden und kommenden Haushalt haben“. Eine neue Finanzplanung müsse vorgelegt werden. Das Parlament müsse „zeitnah Zahlen bekommen, um Prioritäten gegebenenfalls neu aufzustellen. Das forderten am Sonnabend im Gespräch mit dem Tagesspiegel auch Vertreter der Oppositionsfraktionen von Grünen, Linken und Piraten.

Wo kann man noch sparen?

Bei der Frage, wo man noch sparen kann, herrscht allerdings weitgehend Ratlosigkeit. Die CDU ließ das am Sonnabend offen. Allerdings bezeichnete Fraktionschef Graf den geplanten Neubau der Landeszentralbiblitohek als „Thema für die ferne Zukunft“. Die LZB soll rund 270 Millionen Euro kosten. Ein weiterer Ansatzpunkt für die Christdemokraten ist die von der SPD angestrebte Rekommunalisierung der Energienetze. In der Koalition wird man sich auch darüber neu verständigen. Die CDU steht dem Vorhaben skeptisch gegenüber. „Es ist nicht zwingend, sich am Netz zu beteiligen“, sagte am Sonnabend CDU-Haushälter Christian Goiny. Es sei immer die Frage, ob man sich das leisten könne.

Keine Abstriche will die CDU hingegen bei der Erhöhung der Beamtenbesoldung machen. Das hat der Parteitag am Sonnabend beschlossen. CDU-Parteichef Frank Henkel will ein klares Signal aussenden. Im nächsten Haushalt müsse man eine deutliche Erhöhung erreichen. Der Parteitag bekräftigte den Entschluss der CDU-Fraktion, die Beamtenbesoldung für 2014 um 3,45 Prozent zu erhöhen. Die Landesbeamten hätten sich lange genug in Verzicht geübt. Ähnlich sehen das auch die Grünen und die Linke. Die SPD lehnt dagegen eine Erhöhung der Besoldung ab.

Die Oppositionsparteien meinen ohnehin übereinstimmend, dass Sparen alleine nicht das Allheilmittel sein kann. „Nicht um jeden Preis“, sagt Manuela Schmidt von der Linken. Anstatt nun kurzsichtig irgendwo radikal zu kürzen, sind aus Sicht der Opposition gute Ideen nötig, wie sich die Einnahmen der Stadt verbessern lassen. Und wie man neue Strukturen schaffen kann, die auf Dauer ein sinnvolles Sparen ermöglichen. Wer beispielsweise ein optimales Radwegenetz schaffe, mache die Verkehrswege attraktiver und halte Berliner davon ab, ins Umland zu ziehen, „wo sie ihre Steuern in Brandenburg zahlen“, sagt der Grünen-Finanzexperte Oliver Schruoffeneger. Für solche Projekte würden die Piraten sogar noch zusätzliche Schulden aufnehmen. „Angesichts der aktuell extrem niedrigen Zinsen ist das doch sinnvoll“, sagt ihr Finanzexperte Heiko Herberg.

Hoffnungen setzen Vertreter von Koalition und Opposition auf die zügige Einführung der City Tax, die Einnahmen über rund 25 Millionen Euro sichern soll. Die CDU will hofft diese Steuer spätestens mit der Verabschiedung des Haushaltes Ende des Jahres auf den Weg bringen.

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