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Nach Zugunglück: Mit Sicherheit ein Versäumnis

Nach dem schweren Bahnunfall in Sachsen-Anhalt gibt es jetzt auch in Brandenburg Kritik wegen fehlender Bremssysteme an einspurigen Strecken.

Der Eisenbahn-Unfall bei Hordorf in Sachsen-Anhalt, bei dem in der Nacht zu Sonntag zehn Menschen starben, hat auch in Potsdam und Berlin aufgeschreckt. Denn auch in Brandenburg gibt es zahlreiche eingleisige Strecken, an denen zusätzliche Sicherheitsanlagen bei Signalen fehlen. Bei Hordorf war vermutlich der Lokführer eines Güterzuges an einem Halt zeigenden Signal vorbeigefahren und gegen einen entgegenkommenden Triebwagen geprallt. Ein System, das den Güterzug zwangsgebremst hätte, fehlt dort – wie auf zahlreichen Strecken in Brandenburg.

Diese Zusatzeinrichtung ist nur für Strecken vorgeschrieben, auf denen die Züge schneller als 100 km/h fahren. „Nachvollziehen kann ich das nicht“, sagte der Betriebsleiter der Ostdeutschen Eisenbahngesellschaft (Odeg), Jörg Kiehn. Die Odeg fährt in Brandenburg, auf einem rund 345 Kilometer langen Netz, das der Deutschen Bahn gehört. Weitgehend fehlen an den Strecken die sogenannten Zugbeeinflussungssysteme, die einen Zug stoppen, wenn ein Signal nicht beachtet oder zu schnell gefahren wird. Die „laxe Handhabung“ bei der Sicherheit sei nicht zu verstehen, sagte Kiehn.

Umgekehrt schreibt die Bahn auch den privaten Unternehmen vor, ihre Fahrzeuge mit dem Sicherheitssystem auszurüsten, selbst wenn die Strecken dafür nicht ausgebaut sind. Sogar nur langsam fahrende Museumsbahnen müssen die Technik an Bord haben. Die Odeg fährt größtenteils auf eingleisigen Strecken, auf denen auch Güterzüge unterwegs sind – wie in Hordorf an der Strecke Magdeburg – Halberstadt. Die sogenannte punktförmige Zugbeeinflussung (PZB) sei bisher nur bei neuen Signalanlagen eingebaut worden, sagte Kiehn

Die Bahn verweist darauf, dass sie die gesetzlichen Vorgaben einhalte; stellenweise habe sie, um die Sicherheit zu verbessern, die Zwangsbremssysteme auch dort eingebaut, wo es nicht vorgeschrieben sei. In Brandenburg sind rund 900 Kilometer des 2490 Kilometer langen Netzes eingleisig, in Berlin sind es 113 von insgesamt 581 Kilometern. Wo überall die zusätzlichen Sicherheitssysteme an den Signalen fehlen, wollte die Bahn nicht mitteilen. Auch das Infrastrukturministerium in Potsdam, das nach Angaben von Sprecher Lothar Wiegand bereits am Montagfrüh die Bahn um diese Angaben gebeten hatte, erhielt bis Redaktionsschluss keine Antwort dazu. Sogar beladene Kesselwagenzüge fahren auf Gleisen, die sicherheitsmäßig nicht dem neuesten Stand entsprechen, durch Berlin. In Karow hatte es deshalb im April 2009 einen Auffahrunfall mit einem Regionalzug gegeben.

Die Sicherheitslücken im Netz gibt es vor allem im Osten Deutschlands. Die Reichsbahn der DDR hatte Zugbeeinflussungssysteme nur sporadisch an Hauptstrecken eingebaut. Im Netz der damaligen Bundesbahn dagegen erhielten – nach einem Unfall 1971 bei Radevormwald mit 46 Toten, darunter 41 Schülern – auch die meisten Nebenstrecken Zugbeeinflussungssysteme. Jetzt hat Bahnchef Rüdiger Grube angekündigt, der Konzern wolle alle eingleisigen Strecken analysieren und, wo nötig, den Einbau eines automatischen Bremssystems aus eigenen Mitteln finanzieren. Zuständig ist der Netzbereich der Bahn, der zuletzt einen Gewinn in Höhe von 600 Millionen Euro auswies. Die Zusatzsicherungen kosten nach Angaben von Fachleuten zwischen 2000 Euro und 3000 Euro pro Signal.

Auch bei der S-Bahn sind etwa 80 Kilometer ihres 332 Kilometer langen Netzes eingleisig. Dort sind die Signale aber so gesichert, dass ein Zug gestoppt wird, wenn der Triebfahrzeugführer ein Halt-Zeichen nicht beachtet. Das System stammt allerdings aus den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Es soll jetzt durch ein modernes abgelöst werden – bis 2017.

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