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Berlin: Nach zweierlei Maß geschnitten

Rund um das Kanzleramt ist in den öffentlichen Anlagen alles im grünen Bereich – doch in den Kiezen wuchern die Parktaschen zu.

Berlin – eine grüne Metropole. Dieser Werbeslogan ist in aller Munde. Nichtsdestotrotz sorgen sich vielerorts Nachbarn um ihre Sträucher und Bäume vor der Haustür. In Zehlendorf kam im Dezember gar der Bagger und machte eine Hecke platt. Argument des Bezirksamtes: Kosten sparen.

Aber der Berliner liebt seine Bäume und Grünstreifen und wundert sich über den Zustand im Wohnumfeld. So wie Birgit Gangey-Horn vom Arbeitskreis im Neubaugebiet Karow: „Ich habe das Gefühl, dass man uns hier fast vergessen hat. Das öffentliche Grün am Straßenrand ist in einem wirklich beklagenswerten Zustand. Und nichts passiert.“ Dabei hat sogar die im Gebiet tätige Wohnungsverwaltung schon vor einiger Zeit an das Bezirksamt Pankow geschrieben und Abhilfe angemahnt. Bislang ist nichts passiert.

„Was nützt es uns, wenn die Rasenflächen am Kanzleramt sauber und gepflegt sind, und bei uns wuchern die Parktaschen zu?“, schimpft Birgit Gangey-Horn. „Man hat das Gefühl, die Flaniermeilen für die Touristen werden in Ordnung gehalten, und hier können die Autofahrer die Kreuzungen nicht mehr einsehen.“ So wie ihr geht es vielen in Berlin. Neue Parks werden in Betrieb genommen, wie am Gleisdreieck, und sogar noch ausgebaut. Für die Mittelstreifen in den umliegenden Straßen dagegen fehlt das Geld.

Das Grünflächenamt im Bezirk Mitte räumt diese allgemein unbefriedigende Situation durchaus ein. Man bemühe sich, die Grün-, Spiel- und Sportflächen in einem „nutzbaren Zustand“ zu halten, heißt es und weiter: „Sicherlich ist dies keine leichte Aufgabe in einer Zeit, wo die Gelder des Landes Berlin knapp sind.“ Das Amt wolle aber trotzdem die gestellten Aufgaben „so gut es geht“ erledigen.

Der Bund Deutscher Landschaftsarchitekten (BDLA) sieht das Dilemma: „Einerseits brauchen wir in der Stadt das Grün, andererseits wurde in den vergangenen Jahren in der Unterhaltung erheblich gespart“, sagt Almut Jirku, Beisitzerin im Präsidium des Berufsverbands. Das hat fatale Folgen. Investitionen in die Grünflächen verpuffen, weil das Geld für die später nötige Pflege fehlt. Müll und Vandalismus tun ein Übriges. Almut Jirku, gelernte Landespflegerin: „Es müsste mehr Geld für Pflege und Unterhaltung bereit gestellt und auch tatsächlich dafür genutzt werden. Und es würde auch schon helfen, wenn die Menschen besser mit ihren Grünflächen umgingen.“ Bewusstseins- und Verhaltensänderungen brauchen aber ihre Zeit. Immerhin gibt es kleine Hoffnungsschimmer. So ist eine wachsende Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement erkennbar. Die Landesfreiwilligenagentur kann diesen Trend bestätigen. Sie koordiniert viele Aktivitäten wie etwa die Berliner Engagement-Wochen. Bei der dritten Auflage im September 2013 haben sich stadtweit mehr als 4000 Menschen an über 300 Aktionen beteiligt. Die Einsatzgebiete reichten vom Spektefeld in Staaken bis zur Wendenschlossallee in der Köpenicker Gartenvorstadt An der Barbarossa- Grundschule in Schöneberg zum Beispiel putzten Kinder und Eltern die Vorgärten und den Spielplatz. Sie jäteten Unkraut, es wurden Pflanzen beschnitten und alte Äste weggeschafft. Der Lohn: ein gepflegtes, schön aussehendes Schul- und Spielgelände.

Susanne Eckhardt von der Landesfreiwilligenagentur Berlin hilft einzelnen Initiativen, mit geeigneten Partnern zusammen zu kommen. Es geht dabei um Pflanzen, Putzen und Aufräumen, allgemein um ein schönes Wohnumfeld. „Sehr aktiv ist hier zum Beispiel die BSR, die uns mit ihren Kehrenbürger-Aktionen hilft. Die Ehrenamtlichen erhalten dabei Besen, Schutzwesten und Greifzangen und tun etwas für ihren Kiez“, berichtet die Freiwilligenmanagerin.

Gleichwohl macht dieses Engagement nicht die verantwortliche Tätigkeit von Grünflächenämtern und Stadtreinigung überflüssig. Koordinatorin Susanne Eckhardt: „Die Arbeit der Freiwilligen kann die Arbeit der Hauptamtlichen nicht ersetzen. Sie ist eine zusätzliche Hilfe und benötigt qualifizierte Anleitung. Deshalb soll es stets eine Kooperation mit den zuständigen Stellen geben. Ehrenamtliche brauchen schließlich auch eine Kultur der Anerkennung.“

Zwar greifen immer öfter Nachbarschaftsinitiativen selbst zu Harke und Besen. Aber wenn sie merken, dass ihr Tun nicht zu langfristigen Verbesserungen führt, erlahmt schnell der Elan. Der Architekt Norbert Rheinländer, seit Jahrzehnten in der Berliner Grünplanung engagiert, sieht hier mangelnde Bürgernähe am Werk: „Die Anwohner werden nicht mitgenommen. Anstatt die Menschen zu befragen, wie sie ihre Grünflächen nutzen wollen, bekommen sie vollendete Tatsachen vorgesetzt.“ Sein Plädoyer: „Die Bürger müssen beteiligt werden.“

Dass dies durchaus möglich ist, zeigt eine Anwohner-Initiative am Brixplatz in Neu-Westend. Dort kümmern sich engagierte Nachbarn schon seit Jahren tatkräftig um den vom legendären Gartenbaudirektor Erwin Barth angelegten Lehrgarten. Dafür haben sie sogar einen Pflegevertrag mit dem Grünflächenamt abgeschlossen. Einmal in der Woche trifft sich die Parkinitiative, um den Boden zu lockern, Bänke zu streichen oder Schmutz zu beseitigen. „Nicht nur jammern, nicht nur meckern, sondern praktisch handeln“ – so lautet ihr Wahlspruch. So konnte das Gartendenkmal vor dem Verfall bewahrt werden.

Die Initiative in Neu-Westend ist bereits mehrfach für ihren Einsatz ausgezeichnet worden. Aber sicher ist ein solches Engagement nicht auf die ganze Stadt übertragbar. Deshalb wird die Hauptarbeit auch weiter bei den Grün-Ämtern bleiben. Künftig könnten dort sehr viel schneller Probleme gemeldet werden. Dabei hilft das Internet. Das Maerker-Portal gibt Anwohnern die Möglichkeit, online Unregelmäßigkeiten im öffentlichen Raum unverzüglich an das Ordnungsamt zu melden. Von dort aus werden die Fachabteilungen eingeschaltet. Wenn zum Beispiel ein ungepflegtes Parkstück benannt wird, muss das Problem zeitnah behoben werden.

Bisher nehmen nur Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und seit kurzem Tempelhof-Schöneberg an diesem Projekt teil. Weitere Bezirke sollen folgen. Der Senat möchte am liebsten ein „Online-Ordnungsamt“ in ganz Berlin. Das Maerker-Portal ist von der Transparenz her kaum zu schlagen. So können die Bürger online anhand eines Ampelmodells mitverfolgen, wie ihre Beschwerde bearbeitet und nach Möglichkeit erledigt wird. In Marzahn-Hellersdorf geht es oft, wie das Maerker-Portal verrät, um „wilde Deponien“ und Probleme in Grünanlagen. Aufgrund einer aktuellen Meldung kümmert sich der Fachbereich Grün im Landschaftsplanungsamt jetzt um eine bessere Beleuchtung im Bürgerpark. So schafft das Internet durchaus hilfreichen Zugzwang.

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