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Berlin: Nachhilfe mit Gummi

In Charlottenburger Oberschulen werden Kondom-Automaten installiert. Das Erzbistum protestiert

Der Aufklärungsunterricht in den Berliner Schulen wird bald um reißfestes Anschauungsmaterial erweitert: In den 23 Oberschulen und 16 Jugendfreizeiteinrichtungen in Charlottenburg-Wilmersdorf sollen schon nächstes Frühjahr Kondom-Automaten aufgestellt werden. Das hat der Bezirk entschieden. „Im Moment bereiten wir die Ausschreibung für die Automatenhersteller vor“, sagte der zuständige Schulstadtrat Reinhard Naumann (SPD). Die ersten Anbieter hätten schon angefragt. Aber nicht nur die. Wegen der Kondom-Automaten besuchte am Mittwoch sogar das japanische Fernsehen den Schulstadtrat, der britische „Daily Telegraph“ rief an.

Naumann hat sich für die Automaten eingesetzt, weil immer mehr minderjährige Mädchen ungewollt schwanger werden, und auch die Geschlechtskrankheiten wieder zunähmen. Unklar sei noch, wo in den Schulen die Automaten installiert werden sollen, da müsse man mit Lehrern und Eltern sprechen – „aber wir werden sie sicher nicht im letzten Winkel unterm Dach verstecken“.

Die Grünen, die die Idee des Schülerausschusses im Bezirk aufgegriffen haben, wollen die Benutzung von Kondomen „enttabuisieren“. „Denn gerade für junge Mädchen ist es heute immer noch schwer, an Kondome heranzukommen“, sagte Andreas Koska, der stellvertretende Fraktionschef in Charlottenburg-Wilmersdorf.

Schulsenator Klaus Böger (SPD) hat nichts gegen Kondom-Automaten an Oberschulen, Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) unterstützt die Idee „ausdrücklich“, auch der Elternausschuss und die Aids-Hilfe sind dafür. Gegenwind kommt von der Katholischen Kirche in Berlin. Durch die Automaten werde ein falsches Signal gesetzt, sagte Bistumssprecher Stefan Förner. „Statt aufzuklären, wird mit den Automaten der sexuelle Leistungsdruck unter den Jugendlichen erhöht.“ Sie würden sich zum Sex gedrängt fühlen und sich fragen: „Müsste ich nicht langsam auch Sex haben?“ Außerdem sei es in Berlin auch für Mädchen nicht schwierig, an Kondome zu kommen, meint Förner. In der evangelischen Kirche wollte sich niemand zu den Plänen äußern.

Dass sich Schüler unter Druck gesetzt fühlen könnten, sieht André Schindler, der oberste Elternvertreter in Berlin nicht. „Das ist doch weltfremd.“ In den Oberschulen seien die Schüler schon sehr viel erwachsener und könnten sich ein eigenes Urteil bilden. Schindler unterstützt die Idee, weil er hofft, dass sich dadurch mehr Jugendliche als bisher daran gewöhnten, Kondome zu benutzen. Außerdem gehörten sie auch jetzt schon zu jedem Aufklärungsunterricht dazu.

Ob andere Bezirke nachziehen, wie es sich Schulstadtrat Naumann wünscht, bezweifelt seine Kollegin aus Kreuzberg-Friedrichshain. „Wir brauchen keine Automaten in den Schulen“, sagt Sigrid Klebba (SPD). Dass Mädchen ungewollt schwanger werden, habe andere Gründe, das liege nicht an fehlenden Kondom-Automaten.

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