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Berlin: Nachmittag im Ausnahmezustand

Weltkriegsbombe an der Oberbaumbrücke entschärft 5000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Der Verkehr stand still

Ab punkt 13 Uhr herrschte am Donnerstag Ausnahmezustand auf beiden Seiten der Oberbaumbrücke: Rund 5000 Menschen mussten ihre Wohnungen, Büros und Werkstätten in Kreuzberg und Friedrichshain verlassen, die Straßen am Spreeufer und über die Brücke wurden gesperrt, auch die U-Bahn durfte nicht mehr über den Fluss fahren. Der Grund war eine britische 250-Kilo-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein Baggerfahrer hatte sie vormittags bei Sanierungsarbeiten an der Uferböschung der Spree am Kreuzberger May-Ayim-Ufer mit der Schaufel erfasst und mitsamt einer Ladung Schlamm in einen Transportkahn abgekippt. Gegen 13 Uhr begann die Evakuierung der Gefahrenzone im Umkreis von 500 Metern um die Fundstelle. Bis 18 Uhr waren alle Gebäude geräumt, 30 Minuten später war der Blindgänger entschärft – die Stadt kam wieder in Takt.

Der Baggerfahrer hatte die Bombe gar nicht bemerkt, erst Bauarbeiter entdeckten die tödliche Gefahr auf dem Kahn und alarmierten die Polizei. Mit dem Transportleichter wird der Aushub im Schubverband weggefahren.

Die Kreuzberger und Friedrichshainer reagierten gelassen auf den Bombenfund und die spätere Evakuierung. Am Vormittag herrschte auf der Oberbaumbrücke geradezu Volksfeststimmung. „A bomb? Really?“ fragte eine Touristin und ließ sich von ihrem Begleiter gleich vor dem rostigen Baukahn auf der Spree fotografieren. In dem Schiff lag, abgedeckt mit einer Filzdecke, die Fracht des Kampfbombers. Fotografen und TV-Teams drängelten sich am Brückengeländer.

Mit Beginn der Evakuierung machte die Polizei dann die stark genutzte Verkehrsachse zwischen Schlesischem Tor und Warschauer Straße sowie Abschnitte der Köpenicker und Stralauer Straße dicht. Der Verkehr kam großräumig zum Stehen, stundenlang gab es Staus. Die U-Bahnen der Linie U 1 endeten in Richtung Warschauer Straße bereits am Görlitzer Bahnhof. Auch der Schiffsverkehr wurde eingestellt.

Polizeitrupps gingen von Haus zu Haus und baten die Bewohner heraus. Geräumte Blocks wurden mit Kreide und Absperrband gekennzeichnet. Mit Lautsprecherwagen fuhr die Polizei durch den Kiez und bat die Anwohner, wichtige Medikamente beim Verlassen mitzunehmen. Türkische Mitarbeiter von Teestuben halfen, ihre älteren Landsleute über die Situation aufzuklären. Auf Friedrichshainer Seite wurden auch die East Side Gallery, die O2-World und das Hochhaus der Plattenfirma Universal Music geräumt.

In der Hunsrück-Grundschule in Kreuzberg und einer Friedrichshainer Schule hatte der Bezirk Sporthallen als Notunterkünfte geöffnet, es kamen aber nur wenige Anwohner. Die meisten logierten lieber bei Freunden und Bekannten oder gönnten sich eine erzwungene Auszeit in Cafés und Lokalen. jra/stg/tabu/cs

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