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Abschied vom Airport. Am 2. Juni um 22.50 Uhr soll in Tegel die letzte Maschine abheben – nach Schönefeld.

© dpa

Nachnutzung des Flughafens: Wowereit hat es mit Tegel nicht eilig

Regierender Bürgermeister sieht „keinen Zeitdruck“ bei der Investorensuche und weist Kritik zurück. Der Bausenator wirbt unterdessen in Cannes für das Areal.

Die Landesregierung spielt bei der Nachnutzung des Flughafens Tegel auf Zeit. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wies am Dienstag nach der Senatssitzung Kritik aus dem Parlament zurück, dass Berlin bislang zu wenig unternommen habe, um nach dem Ende des Flugbetriebs am 2. Juni dieses Jahres das Areal anderweitig zu nutzen. „Wir haben bei Tegel zurzeit keine große öffentliche Investition als Treiber von Entwicklung“, sagte Wowereit. „Und wir haben auch keinen großen Privatinvestor, der dort ein Interesse bekundet hat.“ Tags zuvor hatten, wie berichtet, zahlreiche Mitglieder des Wirtschaftsausschusses im Abgeordnetenhaus kritisiert, dass drei Monate vor dem Umzug des Flughafenbetriebs zum neuen Großflughafen BER in Schönefeld noch keine konkreten Pläne für die Tegel-Nachnutzung erkennbar seien.

„Es gibt hier gar keinen Zeitdruck, wo jetzt jemand auf die Idee kommen müsste, an dem Tag muss alles erledigt sein“, hielt Wowereit am Dienstag auf Nachfrage des Tagesspiegels dagegen. Das Land habe, zusammen mit dem Bund als Co-Eigentümer des Areals, „selbstverständlich rechtzeitig“ damit begonnen, einen Projektentwickler mit der Organisation des Übergangs zu beauftragen. Diese Gesellschaft, die „Tegel Projekt GmbH“, besteht allerdings bislang nur aus vier Mitarbeitern, die vor allem darauf hinarbeiten, für die Flughafengebäude nach dem Ende des Flugbetriebs kleine Unternehmensneugründungen als Zwischenmieter zu finden.

Größere Interessenten für das Areal sind bislang laut Wowereit nicht in Sicht: „Wir können uns die Investoren auch nicht aus den Rippen schneiden.“ Dazu kommt aus Sicht des Regierungschefs das Problem, dass Tegel für mögliche Investoren nicht gerade erste Wahl sei. „Wir haben noch viele andere Gebiete in der Stadt, wo es noch Millionen von gut erschlossenen Quadratmetern für Gewerbe und Industrie gibt“, sagte er.

Innensenator Frank Henkel (CDU), dessen Partei vor ihrer Regierungsbeteiligung ein eigenes Konzept entwickelt und immer wieder ein rechtzeitiges Nachnutzungskonzept für Tegel angemahnt hatte, sagte gestern: „Entscheidend für mich ist, dass der politische Wille da ist.“ Er habe „volles Vertrauen“ in Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) und Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos, für CDU), „dass es uns gelingt, Tegel so zu entwickeln, wie sich das die Menschen in der Stadt auch vorstellen“. Derzeit wirbt Müller auf der Immobilienmesse in Cannes um Investoren für Tegel und Tempelhof. Im Mittelpunkt steht allerdings der Wohnungsbau.

Die Opposition macht Druck

Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jutta Matuschek, wiederholte am Dienstag ihre Kritik und zeigte sich „erschüttert“, dass es noch keine konkrete Planung für den Standort gibt. „Nach der Übergabe müsste sofort ein Start-up-Unternehmen oder eine Ausgründung einer Hochschule dort einziehen.“ Ihrer Auffassung nach hat der rot-rote Vorgängersenat gute Vorarbeit geleistet; erst mit dem neuen rot-schwarzen Senat sei die Planung zum Stillstand gekommen. Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Antje Kapek, sieht vor allem Stadtentwicklungssenator Müller in der Pflicht. Dieser habe bereits als Landes- und Fraktionsvorsitzender der SPD während der elfjährigen rot-roten Koalition mit Verantwortung dafür getragen, dass bisher so wenig für die Entwicklung getan worden ist. Demgegenüber sieht die Industrie- und Handelskammer die Planungen noch nicht im Verzug. Aber nun müsse die „Promotiontour“ beherzt starten, sagte ein Sprecher. „Da muss jetzt was passieren“, sagt auch der Bürgermeister von Reinickendorf, Frank Balzer (CDU). Aus Sicht der Wirtschaftsfördergesellschaft Berlin Partner wird genug getan. Niemand solle aber erwarten, dass die frei werdenden Flächen in Tegel in fünf Jahren ausverkauft sein werden, sagte Sprecher Christoph Lang.

In Tegel habe die Landesregierung die Planungen „früher angefangen und besser vorbereitet“ als bei der Schließung des Flughafens Tempelhof, urteilt der Architekt Nicolas Pomränke vom Berliner gmp-Büro. „Natürlich würde man sich immer wünschen, dass es schneller geht und es mehr Geld und Leute gibt.“ Es gehe aber um ein „komplexes“ Projekt. Bisher seien keine Chancen vertan worden, „es ist noch alles drin“. Bedauerlich sei nur, dass Wohnungsbau nicht mehr geplant sei, obwohl daran großer Bedarf bestehe. Das ursprüngliche Konzept des Architekten Meinhard von Gerkan, der einst den Flughafen Tegel entworfen hatte, sah als Nachnutzung eine „Energie-Plus-Stadt“ vor.

Die erste klare Absichtserklärung für eine Ansiedlung in Tegel stammt von der Weddinger Beuth-Hochschule für Technik. Eine Sprecherin bekräftigte am Dienstag, Hochschulpräsidentin Monika Gross habe sich beim Senat für den Teilumzug eingesetzt. Es sei aber noch offen, ob die Wissenschaftsverwaltung die Gelder bewillige. In Tegel will die Beuth-Hochschule vor allem Labore schaffen und sich auf den Bereich „E-Mobilität“ konzentrieren. Am Weddinger Stammsitz gebe es dafür keinen Platz mehr.

Für die Unternehmen, die im Bereich E-Mobility arbeiten, passe die Entwicklung Tegels zeitlich gut, sagt Gernot Lobenberg, Leiter der Agentur für Elektromobilität. Die Industrie sowie der Markt seien noch nicht so weit. Für die Branche sei es deshalb eher ein Vorteil, dass die Pläne für Tegel noch nicht konkret seien und alles erst in ein paar Jahren Fahrt aufnehmen solle, sagt Lobenberg.

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