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Nachnutzung: Stadtplaner entwickeln Visionen für Tegel

Warteräume werden zu Lofts, Autos werden ausgeschlossen - die Ideen der Stadt- und Landschaftsplaner für den Flughafen Tegel nach der Schließung 2012 sind vielfältig. Anders als in Tempelhof wird über Tegel nicht ideologisch, sondern sachlich diskutiert.

Was macht man mit einem viereinhalb Quadratkilometer großen Gelände ohne Bahnanschluss, auf dem 99 sehr verschiedene und betagte Gebäude stehen, mindestens 31 Vogelarten brüten sowie 122 teilweise geschützte Spinnen-, 54 Laufkäfer- und 182 Schmetterlingsarten leben und sich ferner zwei Betonpisten befinden, deren Beseitigung grob geschätzt 30 Millionen Euro kosten dürfte?

Mit dieser Frage haben sich auf Einladung der Stadtentwicklungsverwaltung sechs Teams aus Stadt- und Landschaftsplanern befasst: Bei der „1. Werkstattveranstaltung Nachnutzung Tegel“ sollten sie Ideen entwickeln, was aus dem Flughafengelände nach der für 2012 geplanten Schließung werden könnte. Zum Abschluss am Mittwochabend wurden zumindest grob umrissene Ideen präsentiert. Die waren von Respekt vor dem Status Quo und der Größe der Aufgabe geprägt: Terminal und Wirtschaftsgebäude sollen bleiben, die Freifläche ebenso. So schwebt den Landschaftsplanern vom Büro Agence Ter eine „Tegeler Lichtung“ vor, die vom vergrößerten Tegeler Forst eingerahmt werden soll. Fürs Terminalgebäude haben die Planer auf einer Skizze „TXL+“ notiert. Gemeint ist die in den vergangenen Wochen weiter präzisierte Idee des Architekten Meinhard von Gerkan. Der weltweite Erfolg seines Büros gmp hatte Ende der 60er mit dem Bau des Flughafens begonnen. 2008 wurde der 74-jährige Gerkan vom Senat als Erster gefragt, was er daraus machen würde.

Gerkans Idee besteht aus zwei Teilen: Im Terminal will er der Umweltindustrie eine Zentrale geben: Wartebereiche werden zu Bürolofts, der Gang zur Ausstellung. Im Inneren des Sechsecks entsteht ein Kongresszentrum. Und westlich daneben wird aus Solarzellen ein weiteres Sechseck errichtet, das das vorhandene mit Energie versorgt. Gerkans zweite Idee ist als Bonus-Vision zu verstehen: Zwischen den Landebahnen soll ein stark verdichtetes Stadtviertel entstehen. Ohne Autoverkehr, aber mit Sonnensegeln über den Straßen und klimagünstigen Wasserbecken auf den Landebahnen.

Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) resümierte: „Was wir hier präsentieren, ist ein Angebot und keine Drohung.“ Konkreter sollen die Pläne nach einer weiteren Runde im September werden. Zur Beflügelung der Fantasie waren die Teams zunächst per Bus übers Flughafengelände gefahren und von Experten instruiert worden. Eine Kernbotschaft: Das Gebiet dient, ähnlich wie das Tempelhofer Feld, als Kaltluftschneise, die an Tagen wie diesen das Klima in der Stadt erträglicher macht. Zersiedeln verboten also.

Stefan Heiland, Professor für Landschaftsplanung an der TU, sieht die Freiflächen als „wesentlichstes Potenzial, das so weit wie möglich erhalten werden“ sollte. Der Immobilienexperte Andreas Schulten überraschte mit einem ganz anderen Argument für die Leere: Statt in Tegel neu zu bauen, könne man auch anderswo in Berlin „Knappheit schaffen“, um dort die Mieten hochzutreiben. Und die Verkehrsplanerin Gisela Stete sagte dem Areal ohne Bahnanschluss eine schwere Zukunft voraus. Junge-Reyers Hinweis dazu: „Eine U-Bahn fährt nur dahin, wo wir auch ein Ziel haben.“ Also müsse Tegel „zum Ziel werden“.

Eigentümer der Fläche sind Land und Bund; die Grenze verläuft durchs Terminal. Aber anders als in Tempelhof wird über Tegel laut Kennern nicht ideologisch, sondern sachlich diskutiert. Und vorerst ohne Zeitdruck.Stefan Jacobs

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