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Zu spät gehandelt? Die Polizei steht wegen des Einsatzes bei der Kleinmachnower Entführung in der Kritik. Foto: dapd/Clemens Bilan

© dapd

NACHRICHTEN: „Es hat Wunden hinterlassen“

Eltern des in Kleinmachnow entführten Mädchens berichten von den Folgen der Tat für ihr Leben

Ein halbes Jahr ist die Entführung der vierjährigen Carolina K. aus Kleinmachnow her. Die Familie leidet noch immer darunter. Das berichteten die Eltern des Mädchens am Mittwoch vor dem Landgericht Potsdam, wo dem 45-jährigen Entführer Carsten W. der Prozess gemacht wird. Zum Verhandlungsauftakt am Montag hatte der gescheiterte Unternehmer aus Zehlendorf ein umfassendes Geständnis abgelegt. Gestern sagte er mit zitternder Stimme zu den Eltern: „Es tut mir unendlich leid. Ich bereue zutiefst, dass ich das gemacht habe. Ich bitte Sie um Entschuldigung.“ Familienvater Kurt K., ein 52-jähriger Sportlehrer, lehnte das ab: „Dafür kann es keine Entschuldigung geben.“

Die Staatsanwaltschaft wirft W. erpresserischenMenschenraub und schwere räuberische Erpressung vor. W. hatte am 10. Februar das kleine Mädchen vor dem Haus ihrer Eltern entführt und die Mutter mit einer Sichel bedroht. Es folgte eine 13-stündige Irrfahrt durch Brandenburg inklusive Spaziergängen, Spielen und Picknick . Nach der Übergabe des Lösegeldes von 60 000 Euro an einer Autobahnbrücke brachte er das Kind zurück nach Kleinmachnow und wurde gefasst.

Ganz normal habe der Angeklagte zu ihr gesagt, dass er jetzt ihr Kind mitnehme, sagte die Mutter Jeanette K., eine 42-jährige Steuerberaterin. Sie wollte ihr Kind zur Kita bringen. Im ersten Moment „habe ich alles für ein Scherz gehalten“, sagte sie. Carolina habe noch gesagt: „Aber Sie bringen mich doch wieder zurück.“ Was die Eltern durchlebt haben, bezeichnete der Vater als „Wahnsinn“. Das normale Leben kehre langsam wieder, „aber es hat Wunden hinterlassen“, sagte die Mutter. Sie habe Probleme, das Haus zu verlassen oder allein mit dem Kind auf den Spielplatz zu gehen. Sie sehe ganz genau nach, wer sich an ihrem Haus aufhalte. Wie Carolina alles verkraftet hat, ist nicht abzusehen. Sie sei aus einem behüteten Nest gerissen worden, sagte der Vater. Das Mädchen „war anfangs ziemlich verstört“. Es gebe Situationen, in denen sie sehr heftig reagiere, aggressiv sei, um sich schlage, schreie und überaus ängstlich sei. „Wenn uns ein fremder Mann entgegenkommt, dann klammert sie sich an mich“, sagte die Mutter. Carolina habe nicht mehr über die Entführung gesprochen und leide wieder unter einer bereits abgeklungenen schweren Hautkrankheit. Ein Kinderpsychologe ist eingeschaltet.

Als Grund für die Tat hatte W. Schulden von 36 000 Euro angegeben – ausstehende Mieten und Rechnungen für seine beiden Geschäfte, eine Confiserie und einen Tiernahrungshandel in Zehlendorf. Eine Pfändung stand bevor. Als Vater dreier Kinder hatte er das Gefühl, „dass ich Carolina ruhig über den Tag schaukeln kann“. Seine Ex-Frau beschrieb ihn als liebevollen Vater der sechs, sieben und neun Jahre alten Kinder. Auch Jeanette K. sagte, sie habe das Gefühl gehabt, dass der Entführer „kein brutaler Mensch war“. Der Gutachter Jens Köhler bezeichnete W. als narzisstischen und wenig emotionalen Menschen, der sich sein Scheitern nicht eingestehen konnte und sich überschätzt hatte. Eine Persönlichkeitsstörung liege nicht vor. W., der seit den späten achtziger Jahren im Golfclub Wannsee aktiv war, ist damit voll schuldfähig. Am Freitag soll das Urteil gesprochen werden.

Kritik äußerte der Vorsitzende Richter Andreas Dielitz an der Polizei. Eine Nachbarin der Familie hatte die Entführung beobachtet und den Notruf gewählt. Das Telefonat dauerte genau 13 Minuten und 56 Sekunden. Dielitz, der aus der Abschrift vorlas, laut der der Beamte mehrfach „Mmh“ oder „Aha“ sagte, erklärte: „Ich bin dermaßen irritiert.“ Es sei erschreckend und katastrophal, wie sich der Beamte verhalten habe. Wenn eine ausländische Bande das Kind entführt hätte, „wäre die längst weg gewesen“. Er werde sich mit der Polizeiführung in Verbindung setzen. „Ob das mit der Personalkürzung zu tun hat, weiß ich nicht. Aber ich wünsche mir besser ausgebildete Beamte.“

Gysis Parteibüro in Treptow

erneut beschädigt

Das Parteibüro von Linke-Fraktionschef Gregor Gysi in Niederschöneweide ist erneut beschädigt worden. Mitarbeiter des Zentralen Objektschutzes hätten am Dienstagabend an dem Büro in der Brückenstraße eine gesplitterte Scheibe entdeckt, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Von den Tätern fehle bislang jede Spur. Das Büro war in der Vergangenheit wiederholt Ziel von Angriffen. dapd

Tödlicher Sturz: Pflegerin

soll 500 Euro Buße zahlen

Nach dem tödlichen Sturz einer Rentnerin aus dem Bett soll eine Pflegerin eine Buße von 500 Euro zahlen. Mit dieser Entscheidung stellte ein Gericht am Mittwoch das Verfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen die 48-Jährige ein. Die Mitarbeiterin eines Pflegedienstes war im Juli 2010 in der Wohnung der 81-Jährigen. Als sie der Patientin ein Getränk holen wollte, kam es zum Sturz. Die Seniorin erlitt einen Wirbelbruch. Die Anklage nahm zunächst an, dass die Pflegerin das Zimmer verlassen hatte, ohne das Schutzgitter des Bettes nach oben zu schieben. Aus Sicht der Verteidigung könnte dagegen ein Defekt zum Unglück geführt haben. Im Verfahren gab es eine Panne: Das Bett wurde verschrottet, bevor sich ein Experte damit befassen konnte. K.G.

 Alexander Fröhlich

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