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Carsten Mohren (1962-2017)

© Sandy Reichel

Nachruf auf Carsten Mohren (Geb. 1962): Den Fernseher aus dem Fenster? Echt?

Als überall Westen war, hatten die Ostrockhelden zu kämpfen. Manche verkauften Versicherungen oder Immobilien. "Rockhaus"-Keyboarder "Beathoven" blieb bei der Musik. Nachruf auf einen Mann mit halbwilder Vergangenheit.

Von David Ensikat

Keine Ahnung, in welcher Stadt das war, das verschwimmt in dem Gewerbe ja alles. Und ist auch ganz egal; lustig war’s. Sie waren auf Westtournee, Ende der Achtziger. Die Band „Rockhaus“, in der DDR ein großes Ding mit Amiga-Platten, Auftritten auf den größten Bühnen und nun sogar mit Westtournee. Der Keyboarder Carsten Mohren, genannt „Beathoven“, teilte sich in dieser Nacht das Zimmer mit Mike Kilian, dem Sänger. Nach dem Konzert gaben sie sich die Kante, weil sie schließlich Rockstars waren. Und weil mit Weibern hier nichts lief, überlegten sie, ob sie ihr Rockstarsein nicht zusätzlich unter Beweis stellen sollten, indem sie den Fernseher aus dem Hotelzimmerfenster warfen. Westkollegen taten so etwas zuweilen, hatten sie gehört.

Echt? Den Fernseher? Und wenn der wem auf den Kopf fällt? Ist bestimmt auch teuer, so ein Farbding. So viel hatten sie auch wieder nicht getrunken, dass ihnen das total egal gewesen wäre. Aber irgendwas aus dem Fenster werfen, das wär’ schon gut. Sie nahmen die Kissen vom Bett, immerhin, und die landeten sanft auf einem Vordach. Dann aber, als sie ins Bett wollten, fehlten ihnen irgendwie die Kissen. Also raus und runter in den ersten Stock, da durchs Frauenklo aufs Vordach, Kissen holen, und zurück durchs Frauenklo – wo ihnen prompt eine Frau entgegenkam und sich ein wenig wunderte über die Kerls mit den toupierten Haaren und den Kissen unterm Arm. Ahnte ja nicht, dass hier zwei Rockstars unterwegs waren, die es mal krachen ließen.

Ostrocker im Westen. Natürlich wurden sie gefragt, ob sie in der Freiheit bleiben würden. Da zuckten sie, auch Beathoven, nur die Schultern. Warum denn? Im Osten waren sie die Stars und verdienten richtig gut. Im Westen war das schwieriger. Außerdem durften sie ja in den Westen reisen, wenn sie wollten. Brachten dem Oststaat schließlich Westgeld ein.

Dann fiel die Mauer, und überall war Westen, und es sollte ein paar Jahre dauern, bis Ostrocker wieder halbwegs gefragt waren. Viele von ihnen hatten schwer zu kämpfen, manche versuchten sich als Makler, manche verkauften Versicherungen. Beathoven nicht, der blieb bei der Musik. Hatte Glück, weil er nicht nur ein hervorragender Keyboarder und Arrangeur war, sondern auch ein Technikfreak, einer der tatsächlich Bedienungsanleitungen las und sich mit der modernen Studiogerätschaft auskannte. Er produzierte die Musik von anderen, spielte für sie Klavier und Synthesizer, spielte in einer Musical-Kapelle, später dann in der Band des Grips-Theaters und in den letzten Jahren auch hin und wieder mit „Rockhaus“, der alten Kapelle, die in den Achtzigern den Bombenerfolg hatte, weil sie so jung und frisch war. Sie hatten damals kreischbunte Klamotten getragen und sich die Haare mit unfassbaren Mengen Haarspray hochtoupiert (Carsten Mohren mit seiner blonden aufgestellten Mähne erinnerte jemanden an Beethoven; daher „Beathoven“). Jetzt waren sie Folklore und traten zusammen mit den noch viel älteren Ostbands auf, die sie damals, als es noch den Osten gab, überhaupt nicht interessierten. Die Haare waren jetzt kürzer, die Klamotten grauer, doch die Musik war noch dieselbe. Das Publikum ja auch.

Beathoven, krebskrank und schon ganz abgemagert, stand im letzten Jahr noch mit seinem Ziehvater auf der Bühne. Das war Quaster, einer von den Puhdys. Dass sie, auch musikalisch, aus zwei Generationen stammten, war egal, sie waren beide Ostrockhelden und hatten überlebt, bis jetzt.

Beathoven, kurz vor seinem Tod befragt danach, wie er sein Leben fand, konnte sich nicht beklagen. Hatte eigentlich alles gehabt, war mal Star, hatte bei den Frauen kaum was anbrennen lassen, hatte zwei Töchter. Das Wichtigste und Beste aber: Er musste nie was anderes machen als Musik. Da war’s dann auch egal, dass er als Rockstar keinen Fernseher aus dem Fenster geschmissen hat.

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