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Berlin: Nachruf auf den FU-Gründer und Parlamentarier - einen jener "mutigen Studenten"

Dieses Foto ist in die Geschichte eingegangen: Es zeigt den Gründungsrektor der Freien Universität, Friedrich Meinecke. Ihm zur Seite stand damals ein junger Student - Georg Kotowski.

Dieses Foto ist in die Geschichte eingegangen: Es zeigt den Gründungsrektor der Freien Universität, Friedrich Meinecke. Ihm zur Seite stand damals ein junger Student - Georg Kotowski. Der greise Gelehrte durchschreitet, gestützt auf den jungen Gründerstudenten Kotowski das Gartentor zum historischen Seminar der FU. Meinecke, der weltbekannte Begründer des Historismus, half als Ehrenrektor der Freien Universität um die ersten Klippen herum. Seines großen Namens bedurfte die FU, denn 1948 blieben die renommierten Wissenschaftler aus dem Westen Deutschlands der politischen Universitätsgründung in Berlin fern.

Georg Kotowski, Jahrgang 1920, Mitbegründer der Freien Universität, ist vor drei Tagen gestorben. Der Kreis jener mutigen Studenten, die als Konsequenz aus ihrer Ablehnung von Nationalsozialismus und Kommunismus das Experiment einer Universitätsgründung in den Westsektoren Berlins gewagt hatten, wird immer kleiner. Vor Georg Kotowski war in diesem Jahr die Medizinerin Meta Alexander gestorben, Jahre zuvor der inspirierende Kopf der Gründer, Otto Hess.

Kotowski hat sich in einem Aufsatz zum 50-jährigen Jubiläum der Freien Universität uneingeschränkt zum politischen Charakter der Gründung von 1948 bekannt: "Die Freie Universität wurde eine politische Universität, weil die Umstände sie dazu zwangen". Viele hatten eigentlich von Kotowski die maßgebliche Geschichte über die FU erwartet. Seine Sicht blitzte in Aufsätzen und einem großen Anfangskapitel auf, kulminierte aber nie zu dem umfassenden Werk eines Zeitzeugen. Er hat lieber andere Werke zur Zeitgeschichte geschrieben. Die Gründe liegen wohl in seiner tiefen emotionalen Verbundenheit zu der Universität, die er miterkämpft hatte.

Was die Studenten als die eigentlichen Initiatoren der Gründung 1948/49 als "Berliner Modell" durchgesetzt hatten, bewährte sich in den Jahren der äußeren Bedrohung durch die Kommunisten und der mangelnden Solidarität von westdeutschen Universitäten. Aber der Gründergeist ließ sich nicht konservieren. Das "Berliner Modell" - die Mitbestimmung von Studentenvertetern im Akademischen Senat und im Kuratorium als dem Bindeglied zur Stadt und zur Politik - wurde in der Studentenrevolte von 1968 mit Forderungen nach Drittelparität ad acta gelegt. Georg Kotowski kommentierte die Entwicklung so: "Dieses so genannte Berliner Modell ließ sich auf Dauer in seiner ursprünglichen Form nicht halten. Selbstverständlich kam es auch damals zu harten Auseinandersetzungen. Aber sie überschritten nie ein Maß, dass die Intervention einer staatlichen Dienststelle notwendig oder gar das ganze Unternehmen in Frage gestellt wurde."

Trotz aller Not der Nachkriegsjahreszeit sprach Kotowski von einer glücklichen Zeit an der neuen, freien Universität. "Diese Universität aber ist endgültig untergegangen", konstatierte er resignierend schon in den siebziger Jahren. Zur politischen Universitätsgründung hatte sich Kotowski bekannt, gegen eine Politisierung der Wissenschaft, unter welchen Vorzeichen auch immer, hat er immer gekämpft.

Kotowski hat ein Doppelleben als Wissenschaftler und Politiker geführt. Bei ihm Seminare und Vorlesungen über Hegel und Marx zu hören, war ein Erlebnis. Jahrelang wirkte er im Vorstand der Historischen Kommission zu Berlin. Als Politiker hat er die CDU-Fraktion in den vielen Kontroversen um die Hochschul- und Wissenschaftspolitik im Abgeordnetenhaus vertreten und mit seiner Sachkenntnis manchen Opportunismus der Sozialdemokraten nach der Studentenrevolte bloßgelegt. Zeitweilig war er auch Bundestagsabgeordneter.

Uwe Schlicht

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