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Claus-Dieter war immer unterwegs, zu Fuß, mit dem Auto, mit dem Rad. Und er war immer erreichbar und hat geholfen. Jetzt ist unser Tagesspiegel-Kollege in seinem Urlaub tödlich verunglückt. Wir trauern um einen ganz besonderen Kollegen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Nachruf auf unseren Tagesspiegel-Kollegen: Wir trauern um Claus-Dieter Steyer

Claus-Dieter Steyer hat Tagesspiegel-Lesern das Land Brandenburg nahe gebracht. Jetzt ist er im Urlaub tödlich verunglückt. Nachruf auf einen ganz besonderen Kollegen.

Am Montag noch war sein Text zu lesen über den Verein „Hellersdorf hilft“, der sich seit zwei Jahren um die Integration von Flüchtlingen kümmert. Das war ein Thema, das Claus-Dieter Steyer wichtig war, weil es um Menschen geht, die sich engagieren für die Gesellschaft. Beim Telefonat mit der Redaktion, als es um letzte Korrekturen für diesen Text für den Aktionstag „Saubere Sache – Gemeinsame Sache“ ging, war er schon im Urlaub – mit Freunden zum Radfahren in den Dolomiten.

Dort ist Claus-Dieter Steyer tödlich verunglückt.

Die Tagesspiegel-Leserinnen und -Leser haben Claus-Dieter Steyer beim Sommerfest unser Zeitung Anfang Juli erleben können. Da hatte er sein Publikum, das dicht gedrängt zuhörte, wie er aus seinem Buch „Geheime Orte in Brandenburg“ las – mit Witz und ansteckender Fröhlichkeit.

Zehn Jahre ADN - 1990 war endlich Schluss

Brandenburg war ein Herzensthema des quirligen Reporters, der am 28. Februar 1956 im sächsischen Freiberg geboren wurde. Die Stadt mit 40.000 Einwohnern, über Jahrhunderte geprägt vom Bergbau, aber auch von einer Universität, ließ er bald zurück – doch immer noch konnte man einen ganz feinen Dialekt hören, der nach dem nahen Erzgebirge klang. Er war der erste Redakteur des Tagesspiegels mit DDR-Ausweis.

Tag der offenen Tür - da konnte Claus-Dieter mit den Lesern plaudern und die schönsten Geschichten erzählen. Und das konnte er wirklich!
Tag der offenen Tür - da konnte Claus-Dieter mit den Lesern plaudern und die schönsten Geschichten erzählen. Und das konnte er wirklich!

© Kitty Kleist-Heinrich

Als er wenige Monate nach dem Mauerfall, im März 1990 im damaligen Verlagsgebäude in der Potsdamer Straße in West-Berlin anfing, im Ausland sozusagen, benötigte Steyer dafür noch eine Sondergenehmigung der Ost-Berliner Finanzbehörde. Da hatte Steyer schon viele journalistische Erfahrungen gesammelt. Zehn Jahre lang hatte er bei der DDR-Nachrichtenagentur ADN auf desillusionierende Weise die engen Grenzen des sozialistischen Journalismus erfahren. Früh setzte er deshalb seine Hoffnung auf den KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow und dessen Reformpolitik.

Er schrieb aus Moskau, aus Sibirien

In Moskau, wo er damals für ADN und die russische Agentur Tass arbeitete, erlebte er die aufregenden Veränderungen durch Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion mit. Zu seinen Erfahrungen gehörte freilich auch, dass daheim die SED-Führung alles tat, damit die DDR-Bürger von diesen neuen Zeiten beim großen Brudervolk möglichst wenig erfuhren und 1988 selbst die in der DDR beliebte sowjetische Kulturzeitschrift „Sputnik“ verbot.

Zum Ersatz suchte sich Steyer seine journalistischen Nischen. Auf Reportagen hat er aus der Sowjetunion berichtet. Er war im heißen Mittelasien und dem Kaspischen Meer unterwegs und er berichtete aus der klirrenden Kälte Sibiriens über die beteiligten DDR-Bauarbeiter beim Bau der „Druschba“-Pipeline, die Gas über die DDR nach Westeuropa bringen sollte.

Ein Mann mit feiner Ironie: Claus-Dieter Steyer, hier beim Tag der offenen Tür im Tagesspiegel.
Ein Mann mit feiner Ironie: Claus-Dieter Steyer, hier beim Tag der offenen Tür im Tagesspiegel.

© Kai-Uwe Heinrich

Ein „gebrauchter DDR-Bürger“, wie es Lothar de Maizière einst ausdrückte, war Claus-Dieter Steyer zweifellos: Menschen wie er wurden gebraucht. Menschen, die in DDR-Zeiten gelernt hatten, zwischen den Zeilen zu lesen und umso so genauer hinzuschauen. In Redaktionskonferenzen vermochte er mit feiner Ironie zu kritisieren, wenn der Blick des Tagesspiegels auf die neuen Bundesländer für ihn zu lebensfern geriet oder auch zu negativ. Seine Sympathie war bei den Menschen; er wollte ihnen gerecht werden. Deswegen achtete er auf die positiven Geschichten, die es eben auch gab neben wirtschaftlichen Problemen oder neonazistischen Untaten im Osten. Die Deutsche Einheit empfand Claus-Dieter Steyer immer als Glücksfall, auch wenn er die Mühen des Neuanfangs und die harten Schicksale nicht übersah. Er liebte seinen Osten; das haben die Menschen gespürt und ihm vertraut. Für sie war er unterwegs – oft tagelang, unter großem Einsatz. Unermüdlich wie der „Deichgraf“ Matthias Platzeck war Steyer bei der großen Oderflut im Sommer 1997 im Überschwemmungsgebiet unterwegs und erzählte täglich vom Kampf gegen das Hochwasser und die Geschichten von Not und Hilfe.

Brandenburg, das war seine Welt.
Brandenburg, das war seine Welt.

© Kai-Uwe Heinrich

Er war auch 2002 im Dauereinsatz, als die in Sachsen und Brandenburg über die Ufer getretene Elbe dramatische Zerstörungen über die Städte brachte und Existenzen vernichtete. Mit seinem Charme, der sympathisch spitzbübische Züge hatte, öffnete Steyer die Menschen, über die er schrieb. Gerade in den Anfangsjahren beim Tagesspiegel, so erzählte er, hätten seine Gesprächspartner kaum glauben wollen, dass dieser leicht sächselnde Mann wirklich für diese „West-Zeitung“ arbeitet.

Sein Tagesspiegel-Auto hat 450.000 Kilometer auf dem Tacho

Ständig war er im Land unterwegs; sein Tagesspiegel-Auto hatte 450.000 Kilometer auf dem Tacho. Er kannte seine Märker – und war selbst überall in den Kommunen, Rathäusern und Fremdenverkehrsämtern für Politiker, Hoteliers, Unternehmer und Bürgermeister ein vertrauter Ansprechpartner.

Unterwegs für den Tagesspiegel zu sein, draußen im Land und nicht in der Redaktionsstube, dabei fühlte Claus-Dieter Steyer sich am wohlsten, da war er in seinem Element. Er war ein Entdecker im besten Sinne. Mit seinen Texten, die möglicherweise nachhaltig erfolgreicher als viele touristische Werbekampagnen waren, hat er den Berlinern das Land Brandenburg und dessen Schönheiten nahegebracht. In vielen Ausflugsserien hat Steyer die Leserinnen und Leser auf spannenden Touren durch das Land zwischen Elbe und Oder geführt, mit vielen Tipps und mit großer Sachkenntnis. Er malte mit seinen Worten die Landschaften und gab den Menschen in der Uckermark oder im Fläming ein Gesicht.

Wander- oder Radtouren - Steyer war immer unterwegs

Oft haben in der Vergangenheit Leserinnen und Leser berichtet, wie sie auf Radtouren oder Wanderungen gleichgesinnte Ausflügler an mitgeführten Tagesspiegel-Karten erkannten. Das hat Claus-Dieter Steyer stolz gemacht. In diesem Frühling lud er die Berliner in einer großen Serie zum Besuch der Bundesgartenschau in der Prignitz ein. Daneben konnte man seine Empfehlungen für Ausflüge in den Tagesspiegel-Magazinen „Brandenburg“, „Havelland“ und „Radfahren“ lesen oder seinen Spuren in der Sommerserie „Stadtsafari“ folgen.

Aus vielen dieser Reportagen und Serien sind Bücher geworden. Steyer wandelte auf Fontanes Spuren im Buch „Ribbeck im Havelland“ oder hat im Buch „Neu-Hardenberg – Preußens Perle im Oderbruch“ die wechselvolle Geschichte des Ortes erforscht. Und für das kommende Jahr gab es schon Pläne für neue Serien und Ausflüge.

Er hat sich darauf gefreut. Claus-Dieter Steyer hinterlässt eine Frau und zwei erwachsene Kinder. Er wird uns fehlen.

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