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Nachruf: Fritz Teufel: Ein Clown mit Schrotflinte

Witz als Waffe: Fritz Teufel war der Spaß-Guerillero der 68er. Als Mitglied der Kommune 1 machte er die Revolte zum Happening. Und geriet dann doch in den Sog der Gewalt. Ein Nachruf.

Von Caroline Fetscher

Umgangsformen waren das Thema, gutes Benehmen. Was er denn davon halte, wollte die Moderatorin vom Gast Fritz Teufel wissen, im Februar 1982, in der Talkshow „Drei nach neun“. Mit am Tisch saßen ein Tanzlehrer, der Sänger Abi Ofarim und der SPD-Finanzminister Hans Matthöfer. Die übliche gemischte Runde, zu deren Farbigkeit eben auch ein ehemaliger Politclown, ehemaliger Terrorverdächtiger, ehemaliger Häftling beitragen sollte. Teufel, mit moderatem Vollbart, gelichtetem Haupthaar und großen, runden Brillengläsern, sagte, es interessiere ihn wenig, „was man mit Servietten macht und dergleichen“. Wichtiger sei Zärtlichkeit, und „wer sich anpasst, der kann eigentlich nicht zärtlich sein, das ist meine Erfahrung“.

Und sogleich demonstrierte er, was er unter Unangepasstheit verstand. „Ich möchte gern mal ’nen Bundesminister nass machen“, sagte er mit Blick auf Matthöfer, zückte eine kleine Wasserpistole und bespritzte den gegenübersitzenden Minister. Verärgert, aber nicht wehrlos ergriff der Minister sein Rotweinglas und schickte ein paar Weintropfen in Richtung Teufel. Gelächter, Applaus – und Weiterplaudern. So ging das damals.

Fritz Teufel schien ein schönes Beispiel für die Reintegration von Straffälligen in die Gesellschaft, für die Partizipation von Randgruppen, die Zähmung von Radikalen. Wer den schwäbelnden Spaßvogel damals sah, kam kaum auf die Idee, dass er einmal ein Schreckgespenst für große Gruppen der Bevölkerung gewesen war.

Fritz Teufel kam im Kriegsjahr 1943 zur Welt, in Ludwigsburg, als letztes von sechs Kindern, deren Eltern keine Nazis waren. Ihren Jüngsten, den Aufsässigen, behielt die Mutter immer unerschütterlich lieb, gleich, was er anstellte. Ihr Sohn, sagte die Mutter, empfand „Entsetzen über die Sadismen der Auschwitz-Mörder“, das sei ein „Schlüsselerlebnis für seine Protesthaltung“ geworden.

1963 geht der Sohn nach Berlin und belegt an der Freien Universität Germanistik, Publizistik und Theaterwissenschaft. Er lernt Rudi Dutschke kennen, schließt sich dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund an.

Wichtiger als das spießige Büffeln wird es ihm, Vorlesungen zu sprengen, Professoren mit Tomaten zu bewerfen, neue Protestformen wie Sit-ins, Go-ins, Happenings auszuprobieren. Bald wollen er und andere noch mehr als das. Sie gründeten die Kommune 1, um die Utopien, von denen damals so viel die Rede war, real auszuprobieren: Abschaffung des Privateigentums, des Patriarchats, Fördern des Lustprinzips, freier Diskurs, freie Liebe – jetzt und sofort. So entfesselt, wie die argwöhnische bis neidische Außenwelt fantasierte, ging es derweil in der Kommune 1 keineswegs zu. „Dabei ist so was wie Gruppensex nicht wirklich passiert“, offenbarte Teufel im Nachhinein.

1967 war es, als Teufel zum ersten Mal mit der Justiz in Konflikt kam. Er wurde verhaftet, weil er ein Attentat auf den amerikanischen Vizepräsidenten, Hubert Humphrey, geplant habe. Doch Shakespeares anarchischen Narren war der Mann schon damals ähnlicher als etwa den grimmigen Ideologen der RAF. Es stellte sich heraus, dass der Gegenstand, mit dem Teufel und seine Kumpanen von der Kommune 1 das Attentat hatten verüben wollen, eine Art Teigmasse aus Mehl und Eiern war. Mit der Aufdeckung des „Puddingattentats“ war die Sensationspresse blamiert. Witz als Waffe, damit hatte die bürgerliche Gesellschaft nicht gerechnet. Statt dass ihn die Staatsanwaltschaft als Übeltäter vorführen konnte, hatte Teufel sie vorgeführt.

Er hat sie an der Nase herumgeführt, auch dann noch, als es schlimmer kam. 1975 stand Teufel unter Verdacht, als Mitglied der „Bewegung 2. Juni“ an der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden Peter Lorenz beteiligt gewesen zu sein. Im Gerichtssaal hörte er sich die Plädoyers an und die Forderung nach 15 Jahren Freiheitsentzug. Erst nach Jahren der Haft outete er sich als Unschuldiger. Zur Tatzeit, das wies er nach, hatte er nämlich in einer Fabrik in Essen gearbeitet und dort unter einem falschen Namen Klosettdeckel zusammengeschraubt. Er habe die Behörden testen wollen, sagte er 1980. Und später: „Mich (…) hat der Knast angezogen, oder ich den Knast. Ich genoss diese Ruhe und Versorgtheit.“ Balladen geschrieben hatte er in seiner Zelle unter anderem.

Zur stehenden Rede gerann Teufels viel kolportierter Satz angesichts der Aufforderung eines Richters, sich zu erheben: „Na ja, wenn’s der Wahrheitsfindung dient“, hatte er schwäbisch-lässig eingeworfen und das Respektritual unterlaufen, indem er daran teilnahm. Auch an der Wahrheitsfindung über seine eigene Person hat Teufel ungern mitgewirkt. Ganz so eulenspiegelhaft unschuldig, nur allein Kabarettist einer linken Szene, die ihn mit Vergnügen so sah, war er ja denn doch nicht, etwa als er sich zum Wegtauchen in den Untergrund, zum bewaffneten Kampf entschlossen hatte.

Im Mai 1967 produzierte die Kommune 1 ein Flugblatt, das die Brandstiftung in einem Brüsseler Kaufhaus, bei der 300 Menschen starben, als Anti-Vietnam-Aktion glorifizierte. Und bald lernte Teufel sie alle kennen, die späteren RAF-Mitglieder. Mit Irmgard Möller, einzige Überlebende der Todesnacht von Stammheim 1977, war er in den wilden Jahren vor ihrem Abtauchen liiert und saß immer wieder selber im Gefängnis.

Bei einer Festnahme im September 1975 trug er eine durchgeladene Pistole im Hosenbund und eine abgesägte Schrotflinte in einer Plastiktüte. Nie wurde allerdings festgestellt, dass er auf Menschen geschossen hatte, die Urteile ergingen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, wegen Bankraub, Urkundenfälschung, illegalen Waffenbesitzes. Zwischen 1970 und 1980 saß Teufel insgesamt acht Jahre ein, danach war er sichtbar gealtert – und wurde, was sein Leben betraf, wortkarg.

Nun schrieb er für die „taz“, verdiente sich seine Miete als Fahrradkurier bei den „Moskitos“ in Berlin und erhielt 2001 den „Wolfgang-Neuss-Preis für Zivilcourage“. Teufel liebte das Reisen, insbesondere das Radfahren. Nach der Haft ging er nach London, wo er ein Jahr blieb und in einer Bäckerei-Kooperative Brote und Muffins buk. Als er von der Revolution in Portugal hörte, zog es ihn dorthin. Aber „als ich ankam, war sie vorbei“. Zurück in Berlin erlebte er den Mauerfall und damit die Öffnung ins Umland, Radlerland für Teufel, bis 1999 seine Parkinson-Krankheit ausbrach, der er nun erlegen ist.

Wer ihn in den vergangenen Jahren sprechen wollte, den forderte Fritz Teufel gerne auf, beim Gespräch mit ihm Tischtennis zu spielen: „Damit der Teufel, ein alter Gnom, auf die Fragen immer mit Ping und Pong antworten kann!“, sagte er einmal auf die Frage nach dem Warum. Ironie war seine Art der Subversion.

In seiner Lebensbilanz sah er sich vor allem als Künstler, wie er der „taz“ einmal zufrieden offenbarte: „Ich bin geworden, was ich mir unter einem humoristischen Dichter vorstelle.“

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