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Berlin: Jan-Erik Engel (Geb. 1964)

Alles sollte auf ihn zukommen. Was hätte nur aus ihm werden können?

Es sind Hunderte bei seiner Beisetzung in Spuckweite von Rio Reisers Grab, dessen Stück „Ich will nicht werden, was mein Alter ist“ er wunderbar vortragen konnte. Aber ein politischer Rebell wie der Ton-Steine-Scherben-Sänger war er nicht. Liebe, Rock ’n’ Roll, Fußball und ein bisschen Rausch genügten ihm für die erträgliche Leichtigkeit des Seins.

Jani, der wilde Engel, wurde von allen verehrt. Vielleicht, weil er irgendwann beschlossen hatte, ein angenehmer Mensch zu sein. Ein großer Junge, der trotz seiner Erfolge als Musiker und Schauspieler immer bescheiden blieb. Ein Naturtalent auf diesen Gleisen, dem alles zufiel und der die entscheidenden Weichenstellungen nicht auf die Reihe brachte. Konfettiregen, großartige Live-Musik, Bier und Würstchen, eine schöne Party als Abschied. Das hätte ihm gefallen, denn alles, was er anfasste, hatte diesen Glanz und diese Seele. Genau wie Janis Trauerkarte: Ein lachendes Gerippe im Cowboyoutfit, Kippe im Mund, Gitarre in der Hand. Sein beigelegtes Foto: fast ein James-Dean-Lookalike. Ein Rebell ohne Ziel, ein Genie ohne Ehrgeiz. Wie wenige konnte er eine Welt beglücken, die so tickte wie er. Und die Restmenge war halt egal.

Die Kindheit in Moabit und Lichterfelde, kein Ort für Ausbrüche oder Rock ’n’ Roll. Den findet er am „Hippie-Strand“ an der Krummen Lanke. „You Doo Right!“ von „The Can“, ein komplexes Stück, das Jani nur zweimal hören muss, um es nachspielen zu können, als wäre es sein Lebensmotto. Dazu wird viel gekifft.

Jani macht nur das Nötigste, nach der Schule vor allem Musik, treibt durch Diskotheken, Proberäume und Kneipen. Sein Tanzstil ist legendär, eine Mischung aus Michael Jackson und Alexis Sorbas, eine Hymne ans Leben. Als er 20 ist und keine Ahnung hat, was er mal werden soll, schließt der Vater eine private Krankenversicherung für ihn ab. Soll er doch Künstler werden. Umtriebig zieht Jani seine Kreise, jobbt und lebt, bescheiden. Unabhängig. Er spielt in Bands wie „Arumaruma“, „Rude Angels“ und „The Waltons“. Gitarre, Schlagzeug, Gesang, er kann alles: Punk mit Funk, Rock, Country-Punk. Auftritte in der Seelenbinderhalle, im „Loft“ und im „Quartier Latin“, kleine Clubs, das „Wacken“-Festival. Plattenaufnahmen, die Mitwirkung an einem Musikvideo für „U2“ – alles Erfolge.

Großes Geld bringt das nicht, aber Spaß. So wie seine Cover-Band „Hi Folks“. So wie die irrwitzige Westernparodie „Dreckiges Gold“, die er, schon schwer erkrankt, ohne Kohle im brandenburgischen Garten eines Freundes abdreht. Er ist ein Instinktschauspieler mit großem komödiantischen Potenzial.

In vielen Filmen spielt er mit, „Tatort“, „Schuld war nur der Bossa Nova“, Kleines Fernsehspiel, junger deutscher Film. Immer sind seine Schauspielkollegen, die heute ganz oben sind, von ihm beeindruckt. Sie arbeiten an ihren Karrieren, suchen sich Agenten. Er nicht. Als er irgendwann als Geburtstagsgeschenk eine professionelle Bewerbungsvita bekommt, muss Jani lachen. Genutzt hat er sie nie. Alles sollte auf ihn zukommen. Was hätte nur aus ihm werden können?

Anfang der Neunziger zieht er nach Kreuzberg, hier sind Kneipen wie das „Wiener Blut“ und das „Madonna“, hier gibt es das Bier für den Sunnyboy natürlich billiger. Er arbeitet als Bauhelfer in einem Sanierungsprojekt – Schutt karren und andere Knochenarbeiten. Bald zieht er ein, ein guter Geist, dessen Feste auch die vereinen, die sich sonst aus dem Weg gehen.

1998 kommt er mit Nicki zusammen, seiner letzten großen Liebe. Da hat er schon eine kleine Tochter, Lola, die er abgöttisch liebt, auch wenn er nicht in die klassische Vaterrolle passt. Nicky und er teilen alles, auch das bittere Ende. Ein Arztbesuch 2008: „Ich hab GIST. So ein Mist“ ist seine Reaktion auf die Diagnose, einen seltenen inoperablen Feind im Körper zu haben. Das erste Medikament gibt ihm zwei Jahre Aufschub. Trommeln bis zur Verausgabung geht noch, Fußballspielen bei Hansa 07 ist vorbei. Dafür ist er nun Linienrichter, das strengt nicht so an. Vom zweiten Medikament erwischen ihn nur die Nebenwirkungen, die strapaziöse gemeinsame Reise im Frühjahr nach Thailand ist ein Endpunkt. Immer mehr Krankheit, weniger Jani.

„Guck mal dahin. Da ist es schöner“, sagt er zu Besuchern im Krankenhaus. Seine Schwester und Nicky sind die letzten Wochen rund um die Uhr für ihn da. Was bleibt, ist das Lee-Hazlewood-Zitat auf der Trauerkarte: „Sooner Or Later We All Make The Little Flowers Grow." Und ein weißer herzförmiger Grabstein, der viele Jahre bei ihm im Hof-Garten stand. Erik Steffen

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