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Berlin: Nachsitzen in den Ferien

Rund 16000 Schüler werden nicht versetzt. Doch einige haben noch eine letzte Chance: die Nachprüfung

Für rund 16000 Berliner Schüler war der gestrige Ferienbeginn kein großer Grund zur Freude: So viele bleiben erfahrungsgemäß sitzen und müssen sich deshalb von ihrer Klassengemeinschaft verabschieden. Nicht alle wollen sich allerdings damit abfinden: Hunderte büffeln die Ferien durch, um mittels Nachprüfungen doch noch die Hürde zu schaffen.

„Von unseren 23 Nichtversetzten haben sich zwölf zur Nachprüfung angemeldet“, berichtet Harald Mier, Leiter des Zehlendorfer SchadowGymnasiums. Am letzten Tag der großen Ferien kommen sie in die Schule, um sich schriftlich und mündlich den Fragen der Lehrer zu stellen. Der Termin bietet sich an, weil wegen des im vergangenen Jahr eingeführten Präsenztages sowieso alle Lehrer anwesend sein müssen.

Auch an Real- und Hauptschulen machen Schüler von der Möglichkeit der Nachprüfungen Gebrauch. Allerdings weniger als in Gymnasien. „Insbesondere die Hauptschüler haben es schwer, in den Ferien die Lücken aufzuarbeiten: Ihre Eltern sind meistens nicht in der Lage, kostspielige Nachhilfekurse zu finanzieren oder ihren Kindern anderweitig bei der Aufarbeitung des Stoffes zu helfen“, heißt es in der Bildungsverwaltung. Oftmals haben die Kinder nicht einmal einen Schreibtisch zu Hause, an den sie sich zurückziehen können.

Voraussetzung für die Zulassung zur Nachprüfung ist, dass es eine reelle Chance gibt, die Zahl der Fünfen zu reduzieren. Wer etwa drei Fünfen hat, gleichzeitig aber gute Noten in anderen Fächern, kann versetzt werden, wenn er bei der Nachprüfung wenigstens ein „mangelhaft“ in ein „ausreichend“ verwandelt. Ohne Ausgleichsfach darf nur eine einzige Fünf auf dem Zeugnis stehen bleiben.

Aufgrund dieser Bestimmungen schaffen jedes Jahr rund fünf Prozent nicht die Versetzung. Für dieses Schuljahr werden die Daten erst nach den Ferien vorliegen. Möglicherweise wird es etwas weniger Sitzenbleiber geben, weil die Lehrer erstmals verpflichtet waren, Förderpläne für „Wackelkandidaten“ zu entwickeln. 2003 scheiterten 15782 Schüler. An den Hauptschulen blieben in den vergangenen Jahren stets rund 17 Prozent der Schüler sitzen, an den Real- und Gesamtschulen neun, in den Gymnasien sechs, an den Grundschulen zwei Prozent.

Trotz der im internationalen Vergleich hohen Zahl an Wiederholern gibt es Jahr für Jahr in vielen Schulklassen Verwunderung darüber, dass letztlich doch nicht mehr Kinder sitzen bleiben. Denn die Zahl der „blauen Briefe“, die verschickt werden, liegt deutlich höher als nachher die Zahl der Sitzenbleiber.

Die Schulen begründen diese Diskrepanz damit, dass manche Fünf auf dem Zwischenzeugnis „pädagogisch“ gemeint ist. Der Schüler soll aufgerüttelt werden. Zudem werden die Warnbriefe so großzügig verschickt, weil sich die Schulen absichern wollen: Ohne „blauen Brief“ dürfen sie Schüler nicht sitzen lassen.

Der Tagesspiegel veröffentlicht am Sonntag, den 27. Juni, die Namen aller erfolgreichen Abiturienten des Jahres 2004.

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