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Nachträgliche Forderungen: Ex-Minister sollen für Dienstautos zahlen

Zehntausende Euro Nachforderungen für Fahrkosten: Wieder Aufregung um Ressortchef Markov.

Rund 20 frühere und aktive Regierungsmitglieder Brandenburgs, drohen nach Tagesspiegel-Recherchen mit Schadenersatz-Prozessen gegen das Land. Auslöser ist ein Streit um die Nutzung von Dienstwagen. Staatssekretäre und Minister sollen auf Veranlassung Finanzminister Helmuth Markov (Linke) nachträglich wegen Dienstfahrten, die in Fahrtenbüchern von ihren Fahrern ungenau dokumentiert worden sind, für die Jahre 2007 bis 2010 privat Tausende Euro Steuern nachzahlen. Es geht um Summen ab 10 000 Euro aufwärts, in einem Fall sogar um 80 000 Euro. Der Vorgang dürfte in Deutschland einmalig sein. „Wir sind uns alle einig, dass wir das durchziehen und notfalls das Land auf Schadenersatz verklagen, wenn der Finanzminister bei dieser Linie bleibt“, sagte Clemens Appel, der frühere Chef der Staatskanzlei.

Appel, früherer Vizepräsident am Landesarbeitsgericht, koordiniert die ungewöhnliche Opposition gegen Markovs rigide Dienstwagen-Politik. Die Verteidigungslinie hatte man bereits bei einem Treffen Anfang der Woche abgestimmt. 15 Betroffene kamen zur diskreten Kabinettsrunde persönlich: Mit dabei waren etwa die früheren Minister Reinhold Dellmann (SPD), Beate Blechinger (CDU), Holger Rupprecht (SPD) und die frühere Finanzministerin und heutige Vizechefin der SPD-Bundestagsfraktion, Dagmar Ziegler. Ex-Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) ließ sich entschuldigen. Zudem erschienen fast zehn ehemalige Staatssekretäre wie der heutige Uckermark-Landrat Dietmar Schulze oder Wolfgang Krüger, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Cottbus. Auch aktive Staatssekretäre saßen am Tisch.

Markov hatte – nach der Dienstwagen-Affäre um Ex-Bildungsminister Holger Rupprecht – die Fahrtenbücher der Landesregierung bis 2007 rückwirkend prüfen lassen. Zwar macht danach das Finanzministerium keinem den Vorwurf, Privatfahrten als Dienstfahrten abgerechnet zu haben. Doch es wird moniert, dass bei Dienstfahrten teilweise „Reisezweck und aufgesuchte Gesprächspartner“ nicht präzise genannt worden sind. Als Konsequenz hat nun jeder die „Wahl“, entweder alle ungenau ausgewiesenen Dienstfahrten nachträglich als privat zu deklarieren oder pro Jahr ein Prozent des Listenpreises der PS-starken Karossen als privaten Vorteil abzurechnen – was beides zu drohenden horrenden Nachzahlungen führt.

Laut Ex-Staatskanzlei-Chef Appel sind die Betroffenen „fassungslos“ über das „unprofessionelle Vorgehen“ Markovs, „weil für die nun beanstandete Praxis das Finanzministerium selbst verantwortlich war“. Dies wird in einem dem Tagesspiegel vorliegenden Gutachten im Auftrag des Markov-Ministeriums bestätigt. „Es lag dem Minister vor, ehe er die Lawine lostrat“, sagte Appel. Laut Gutachten ergebe sich, dass der „weit überwiegende Haftungsanteil auf Seiten des Landes liegt“ – und zwar zu 90 Prozent. Denn für die Fahrtenbücher des Regierungsfuhrparks zuständig ist der Brandenburgische Liegenschaftsbetrieb (BLB).

Finanzminister Markov hatte im Januar jeden in einem persönlich unterzeichneten Schreiben über die Höhe der Summen informiert. Er bedauerte die „Unannehmlichkeiten“ und bat um „Verständnis“, dass „aufgrund der eindeutigen Rechtslage dieses Verfahren durchgeführt werden musste“. Anderenfalls hätte die Landesregierung selbst steuerlich haften müssen. Aber das wird sie auch so, ist sich Appel sicher.

Auch heutige Minister haben die neuen Vorgaben schon zu spüren bekommen: Der „geldwerte Vorteil“ für unvollständig deklarierte Fahrten der ersten Monate im Jahr 2011 war kurz vor Weihnachten gleich mit ihrem Gehalt verrechnet worden. Das fiel für einige Regierungsmitglieder drastisch geringer aus.

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