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Vor dem Umbruch. Nicht nur die Aktenführung in manchen Behörden wie hier im Gericht, wirkt altertümlich. Probleme wird es auch geben, wenn viele der derzeit Beschäftigten in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Dann fehlt der Nachwuchs.

© Kitty Kleist-Heinrich

Nachwuchs für den öffentlichen Dienst: Berliner Behörden sind völlig überaltert

Die Hauptstadt hat ein Personalproblem: Mehr als ein Viertel der Landesbeschäftigten geht bis 2019 in den Ruhestand. Bis dahin müssen fast 25 000 Vollzeitstellen neu besetzt werden, damit die Berliner Verwaltung funktionsfähig bleibt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Bis 2019 müssen fast 25 000 Stellen neu besetzt werden, damit die Berliner Verwaltung funktionsfähig bleibt. Das Problem ist bekannt, aber nicht gelöst. Die jüngste Personalstatistik der Finanzverwaltung zeigt wieder, dass viele Behörden und Einrichtungen völlig überaltert sind. Dort wird ein großer Teil der Beschäftigten noch vor Ende des Jahrzehnts in den Ruhestand gehen. Ob es gelingt, in jedem Bereich des öffentlichen Diensts rechtzeitig Nachwuchskräfte zu rekrutieren, ist derzeit nicht absehbar.

Anfang 2013 gab es im unmittelbaren Landesdienst noch 104 692 Vollzeitstellen. Davon 83 748 in der Hauptverwaltung und 20 944 in den Bezirken. Nach einer Prognose der Finanzverwaltung wird sich die Personalsituation bis 2019 dramatisch verändern. Dann werden in der Hauptverwaltung nur noch 61 102 Vollzeitstellen mit den bisherigen Mitarbeitern besetzt sein, in den Bezirken sind es 14 795 Stellen. Das reicht aber nicht aus. Das Ziel von Rot-Schwarz ist, dauerhaft 80 000 Stellen in der Hauptverwaltung und 20 000 Stellen in den Bezirken besetzt zu haben.

Vom Aussterben bedroht ist beispielsweise das landeseigene Brücke-Museum in Berlin-Dahlem. Von den 7,5 Vollzeitstellen werden 2019 nur noch 2,5 besetzt sein, wenn es keine Neueinstellungen gibt. Also ein Drittel. Dieses Personalproblem ist gewiss lösbar, denn es geht nur um eine Handvoll Stellen. In vielen größeren und teilweise strategisch wichtigen Bereichen der öffentlichen Verwaltung müssen dagegen die Alarmglocken läuten, weil schon in sechs Jahren etwa 50 Prozent der Stellen verwaist sein werden. Das gilt für: die Sportverwaltung und die Frauen- und Gleichstellungsabteilung des Senats, für das Grundsatzreferat Schule und die Lehrerbildung, für die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg und das Landesdenkmalamt, für die Gerichts- und Bewährungshilfe, die Abteilung Jugend und Familie in der Bildungsverwaltung und für das Krebsregister. Dass ausgerechnet in den Schul- und Jugendbehörden des Senats so auffällig viele pensionsreife Menschen sitzen, gibt zu denken.

Glücklicherweise gibt es positive Gegenbeispiele. So sind die politischen Stäbe und Servicebereiche der Senatsverwaltungen recht zukunftssicher aufgestellt. Dort müssen weniger als 20 Prozent der Vollzeitstellen bis 2019 neu besetzt werden. Das gilt übrigens auch für die Führungsetage der Berliner Polizei und die meisten Feuerwehr-Direktionen. Die Staatsanwaltschaft und viele Gerichte sind ebenfalls relativ gut mit jüngerem Personal bestückt, wie auch das Pflanzenschutzamt in der Stadtentwicklungsverwaltung.

Um die Berliner Landesverwaltung arbeitsfähig zu halten, hat der Senat ein Personalentwicklungskonzept und eine Ausbildungsoffensive angekündigt. Die Regierungsfraktionen SPD und CDU sind sich aber noch nicht einig, wie es genau aussehen soll. Erschwerend kommt hinzu, dass die Qualifizierung junger Menschen für den öffentlichen Dienst in den vergangenen Jahren stark vernachlässigt wurde. Die amtliche Personalstatistik Berlins beweist das. So wurden vor 15 Jahren noch 13 614 Mitarbeiter ausgebildet. Vor zehn Jahren waren es noch 9403. Vor fünf Jahren 6597. Seitdem steigt die Zahl der Azubis, Volontäre und Referendare wieder, im Herbst 2012 seien 8660 in Ausbildung gewesen, teilte Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) mit.

Wie ist der Status quo in der Berliner Hauptverwaltung? Der Altersdurchschnitt liegt jetzt bei 49,3 Jahren. Zwei Jahre älter als noch 2006. 60 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, die Teilzeitquote liegt bei 20 Prozent. Das ist auch der (rechnerische) Grund, warum es Anfang 2013 noch 104 692 Vollzeitstellen gab, aber 112 324 Beschäftigte. Davon sind 58 Prozent Beamte, mit leicht sinkender Tendenz, während der Anteil der Angestellten allmählich wächst.

In den Bezirken sieht es anders aus. Lediglich ein knappes Drittel der Bediensteten ist verbeamtet. Der Altersdurchschnitt liegt mit 51,2 Jahren deutlich höher als in den Senatsbehörden. In Marzahn-Hellersdorf sind es sogar 53 Jahre. Gut zwei Drittel der Mitarbeiter in den Bezirksämtern sind Frauen, die Teilzeitquote liegt bei 25 Prozent. In den klassischen West-Bezirken Spandau, Reinickendorf Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf sind es sogar 27 bis 31 Prozent, während der Anteil der Teilzeitkräfte in Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf deutlich unter dem Durchschnitt liegt.

Die Gesundheitsquote der Berliner Verwaltung liegt bei rund 90 Prozent. Das ist der amtliche Begriff. Verständlicher ausgedrückt: Der Krankenstand liegt bei 10 Prozent, fast doppelt so hoch wie in der öffentlichen Verwaltung bundesweit. Finanzsenator Nußbaum mahnte deshalb kürzlich, zu Gast bei der Gewerkschaft Verdi, eine „Konzentration auf die Erhöhung der Arbeitszufriedenheit“ der Beschäftigten an. Dazu gehörten eine stressvermeidende Arbeitsorganisation und sensible Führungskräfte.

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