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Berlin: Nächster Halt: Groß-Baustelle

Wo, bitte, geht’s zum Bahnhof? Das sieht hier eher aus wie an einem Staudamm.

Wo, bitte, geht’s zum Bahnhof? Das sieht hier eher aus wie an einem Staudamm. Hany Azer, Projektleiter der Groß-Baustelle „Berlin Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof“ wundert sich über solche Bemerkungen nicht mehr. Das Berliner Grundwasser bereitet ihm und seinen Leuten tatsächlich Kopfzerbrechen. Der See, den Wände wie Staumauern halten, besteht aus Grundwasser. Und genau in diesen See muss jetzt der Bahnhofsboden in Nord-Süd-Richtung unter Wasser eingelassen werden. Später wird das Wasser abgepumpt. Wand-Sohle-Technik nennt sich dieses Verfahren – eines der technischen Highlights, die man bei der Führung durch den bald größten und modernsten Verkehrsknotenpunkt Europas erfährt. Wenn der Bahnhof im Jahr 2006 eröffnet wird, sollen hier täglich 240 000 Menschen ein- und aussteigen. Während der Führung haben wir das Gelände aber für uns allein – fast jedenfalls. Hier zimmern, schweißen, bohren 450 „Malocher“, wie der Chef des Projekts seine Arbeiter nennt. Und 120 Ingenieure sind zeitweise rund um die Uhr beschäftigt, damit der fünfgeschossige Bahngigant pünktlich zur Fußball-WM schlüsselfertig ist.

Noch erinnert das Gelände an ein riesiges Einfamilienhaus im Rohbau: Dreck, Kabel, Schutt. Besucher müssen Bauhelme aufziehen. Das verstehen sogar blutige Bahn- Laien, die beim Begriff Pufferküsser eher an Reibekuchen denken als an Bahnliebhaber und beim Kürzel „H0“ an DDR-Kaufhallen statt an die Spurweite von Modellzügen.

Die Füße der Brückenpfosten überm Humboldthafen bestehen aus Guss, erklärt Hany Azer. Guss – ist das nicht das labile Material, aus dem das Werkzeug gefertigt war, das früher bei Fahrradreparaturen immer so leicht abbrach? Nein, sagt Azer, Guss verkraftet ganz im Gegenteil besonders große Lasten. Weiter geht es die blanken Betonstufen hinab in die untere Ebene, in jene Halle, in der der Verkehr später in Nord-SüdRichtung strömen wird. Die runden Aussparungen im Boden sehen aus wie Backförmchen-Löcher im Kuchenteig. Dort werden die Panorama-Aufzüge später eingepasst. 14 Fahrstühle und 54 Rolltreppen, das muss reichen, damit später niemand den Anschluss verpasst: bei Fern- und Regionalbahn, S- und U-Bahn unter einem Dach. Gleich nebenan schlängelt sich die B 96 im Tunnel auch unter der Spree hindurch.

Die Bauleute haben wirklich an alles gedacht. Damit keiner der Segler und Motorboot-Kapitäne auf der Spree den Tunneldeckel mit seinem Anker beschädigt, ist er zusätzlich mit einer zentimeterdicken Stahlplatte geschützt. Das Glasdach hoch oben überm Bahnhof funktioniert wie ein Bilderrahmen: „Die 8000 Scheiben sind beschichtet und entspiegelt, damit sie nicht alles mögliche reflektieren und die Zugführer blenden“, sagt Hany Azer.

Lust auf die Baustellen-Begehung am 16. Juli? Dann bitte anmelden: morgen, Dienstag, 12-15 Uhr unter Tel. 26009-819. Zwei Führungen (11 und 15 Uhr), je maximal 30 Personen, Dauer: zwei Stunden

Annette Kögel

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