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Berlin: Narrenfreiheit im Regierungsviertel

400 000 Menschen feierten an der Karnevalsstrecke. Das Prinzenpaar wurde im Handwagen durch das Brandenburger Tor gezogen

„Berlin heijo! Karneval an der Spree: olé, olé, olé!“ So richtig flüssig kommt den Berlinern das Faschingsmotto noch nicht über die Lippen. Doch am Sonntag gaben sich beim Karneval in Mitte rund 400 000 Zuschauer beim Feiern redlich Mühe. 2000 Funkenmariechen, Gardeoffiziere und Kamellewerfer zogen von der Straße des 17. Juni über die Linden bis zum Roten Rathaus. Anders als angekündigt verzichteten die meisten Karnevalisten aber darauf, zu Fuß durchs Brandenburger Tor zu gehen. Das Prinzenpaar Jutta I. und Hans III. aber ließ sich auf einem selbst gebauten Wägelchen demonstrativ durch die Säulen ziehen – und hatte dafür Stadtentwicklungssenator Peter Strieder als Pappfigur vor seinen Karren gespannt. Der hatte die Durchfahrt der Festwagen durchs Tor verboten.

Rund 60 Wagen rollten im Schritttempo durch die Menge, vom historischen Feuerwehrfahrzeug bis zum Musiktruck wie auf der Love Parade. „Stellt euch nicht so an, heute darf gefeiert werden“, dröhnte es aus einem Lautsprecher, und die Mädchen von der Minigarde der „Fidelen Rixdorfer“ hoben fleißig die Beine. Vor allem die Kinder am Streckenrand hatten ihren Spaß – viele Erwachsene zügelten ihr Temperament. „Schade, dass so nur wenige verkleidet sind“, meinte etwa Manuela Teschendorf aus Charlottenburg. Hier war mal ein „Cats“-Gesicht in der Menge zu sehen, dort leuchtete eine recycelte Weihnachtsmannmütze, da marschierten Kinder in olivgrüner Armykluft.

„Die Berliner haben mit dem Karneval immer noch Berührungsängste“, meinten Gabriele und Bernd Zech, die sonst in Köln feiern. Sabine und Ilona kommen ebenfalls aus dem Rheinland und können sich dort jedenfalls vor Küsschen von Fremden nicht retten. Karneval in Bonn und Berlin – das sei wie Original und Fälschung. „Hier fehlen Lautsprecher, und gemeinsame Lieder können die Leute auch nicht singen.“ Das närrische Treiben begeisterte indes viele Touristen. „Die Deutschen können ja richtig feiern“, freuten sich Irene und Maria aus Madrid. Die Südafrikaner Prea und Andre Timothy fanden die Kostüme „schön extravagant“. Gute Stimmung, für kurze Zeit. „Nun drängeln Sie doch nicht so, ich will die Wagen auch sehen“, raunzte eine Frau. Klappt eben nicht mit der verordneten guten Laune.

Annette Kögel

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