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Berlin: Nasse Rolle

Mit „The Day After Tomorrow“ wollten Roland Emmerich und sein Star Jake Gyllenhaal einen Katastrophenfilm drehen, der nicht nur unterhält, sondern auch belehrt

Allergiker, freuet euch! „Jahreszeitbedingt ist aufgrund der noch mächtigen Schneebedeckung mit keinem Pollenflug zu rechnen.“ Man sollte aber nur gut verpackt ins Freie. Die Temperatur in Berlin? 29 Grad. Minus!

Ja, so dürfte es sein, wenn die nächste Eiszeit ausbricht. Das Presseheft von Roland Emmerichs Film „The Day After Tomorrow“, aufgemacht wie eine Tageszeitung, greift hier zwar weit voraus, aber das ist schon in Ordnung. Schließlich geht die Vereisung der Erde von Hollywood aus – und der Film soll ein Kassenknüller dieses Sommers werden, da ist Übertreibung zulässig. Doch wie heftig das große Bibbern und Zähneklappern ausfällt – Zeit, über die Augen eines Schauspielers zu sinnieren, wird dann kaum noch sein. Über die von Jake Gyllenhaal beispielsweise, die es in diesem Moment gleich doppelt gibt: in dem Presseheft, das auf dem Tisch im Zimmer des Four Seasons vor dem jungen Schauspieler liegt, und noch einmal real. Der Blick auf dem Foto sei so intensiv, hat sich einer der beiden Journalisten gewundert, die seit 20 Minuten Gyllenhaal zu Film, Arbeit, Leben mit Fragen löchern. Bereitwillig geht er darauf ein, ja, den intensiven Blick hätten schon viele angesprochen, er verstehe das gar nicht. Seine Augen klappen noch ein wenig weiter zu. Der lange Flug aus Los Angeles nach Berlin fordert seinen Tribut. Nicht, dass Gyllenhaal nur unkonzentriert zu antworten wüsste, ganz und gar nicht. Eine gewisse Mattigkeit freilich ist nicht zu leugnen. Gyllenhaal ist zu lange Profi, um dem nachzugeben.

Neben vielen Superstars hat er schon gespielt, etwa Dustin Hoffman in „Moonlight Mile“, im Vorjahr auf der Berlinale. Auch Hauptrollen hat er übernommen, überwiegend in unabhängigen Produktionen, nicht bei den großen Studios. In einem Film wie „The Day After Tomorrow“, in dieser Preis- und Action-Klasse, war er noch nie. Dort herrsche „eine völlig andere Mentalität“: Sonst kann er sich gewisse Freiheiten herausnehmen, variieren. Hier hat er auf den Punkt genau zu funktionieren, als „Teil eines Puzzles“: In einem bestimmten Moment hat er das Vorgeplante abzuliefern. Das dürfe man nicht unterschätzen, das sei harte Arbeit. Und einer, der das besonders gut beherrscht, den er bewundert für seine Leistung gerade in Actionfilmen, ist Will Smith – der in Emmerichs „Independence Day“ seinen Durchbruch nach ganz oben hatte.

Das Anliegen von „The Day After Tomorrow“, in dem die Erde von einer plötzlichen Klimakatastrophe heimgesucht wird und New York erst von einer Riesenflut überschwemmt wird, dann im Eis erstarrt? In erster Linie „Entertainment“, und da biete der Film Spaß gleich „tonnenweise“. Aber er habe eben auch eine ökologische Botschaft, sagt Gyllenhaal, und wünscht sich, dass die Zuschauer nicht nur gut unterhalten werden, sondern auch mit dem Gefühl aus dem Kino kommen, dass sie etwas gelernt haben.

Neben Gyllenhaal hat Emmerich auch dessen Filmpartnerin Emmy Rossum mitgebracht – 17 Jahre alt und ein erstaunliches Multitalent. Als Schauspielerin hat sie schon die junge Audrey Hepburn dargestellt, singen kann sie auch, stand mit Placido Domingo auf der Bühne und wird demnächst in der Verfilmung des „Phantoms der Oper“ zu sehen sein. Auch hat sie an der Stanford University ein Studium für Hochbegabte absolviert – eine Frau des Buches also und schon insofern eine geeignete Galionsfigur für die hiesige „Stiftung Lesen“, die über den Film versucht, Schüler zum Buch zu überreden. Und dabei werden doch im Film in der vereisten Manhattan Public Library Folianten gleich dutzendweise verfeuert. Es fehlt halt an Briketts.

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