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Solche Schäden wie beim Sturm Xavier im vergangenen Jahr will die Bahn mit einem Aktionsprogramm vermeiden. Es ist auf fünf Jahre angelegt.

© Bernd Settnik/dpa

"Naturgefahrenmanagement" der Bahn: Vegetation an den Gleisen sollen genau erfasst werden

Damit umgestürzte Bäume nicht ständig zum Problem werden, wird der Bewuchs an Gleisen überprüft – und notfalls abgeholzt.

Jetzt wird kräftig geholzt. Die Bahn geht den Bäumen entlang ihrer Strecken an den Kragen. Ziel: Sturmsicherheit. Dazu hat sie ein Aktionsprogramm entwickelt, das sie am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. Es ist über mehrere Jahre angelegt – bei der gewaltigen Zahl von Bäumen, die die Gleise säumen.

Zum ersten Mal erstelle man jetzt ein „digitales Kataster“, sagte Felix Gerhardt vom Team „Naturgefahrenmanagement“ der Bahn. Das Kataster erfasst die komplette Vegetation neben den Gleisen So erkenne man auch schnell mögliche Schwachstellen. Ende des Jahres soll das Verzeichnis stehen.

Sechs Meter breiter baumfreier Streifen neben den Gleisen

Und nach den schweren Stürmen der jüngsten Vergangenheit, die bei der Bahn einen Schaden von rund 60 Millionen Euro verursacht hätten, habe man auch die Kontrolle umgestellt – und dafür mehr Mitarbeiter eingestellt. Ein Neuner-Team sieht sich in der Region unter der Leitung von Tobias Korb nun Baum für Baum an. Bisher habe man großflächiger gearbeitet, meist per Augenschein. Nun rammen die Baum-Gucker einen Sondierstab in die Erde, um die Festigkeit der Wurzeln zu prüfen. Und mit einem gepolsterten „Schonhammer“ klopfen sie den Stamm ab. Schadstellen können dann gehört werden. „Jeder Baum klingt anders“, sagte Korb. Wenn ein Zug vorbei rauscht, müssen die Kontrolleure aber meist Pause machen.

Was sie brauchen, ist Erfahrung. Entweder kommen die Mitarbeiter aus dem Forst- oder Gärtnerbereich oder sie lernen die Bäume auf Fortbildungskursen kennen, sagte Gerhardt, der selbst ein studierter Forstwirt ist. Es sei aber nicht einfach, die Stellen zu besetzen.

In einem etwa sechs Meter breiten Streifen neben den Gleisen bleibt nichts stehen. Dahinter folgt dann die „Stabilisierungszone“, in der intensiv kontrolliert wird. So werde das rund 5000 Kilometer lange Kernnetz der Bahn „durchforstet“, sagte Gerhardt. Ins „Hot-Spot-Programm“, in dem es keine Störungen geben darf, sind rund 400 Kilometer aufgenommen.

Dazu gehören auch die Ballungsräume wie Berlin. Unter besonderer Beobachtung stehe hier der S-Bahn-Abschnitt zwischen Blankenfelde und dem Bahnhof Attilastraße, sagte Stephan Landrock von der DB Fahrwegdienste GmbH. Auch Landrock kommt vom Fach; er ist Forstingenieur. Er und seine 61 Mitarbeiter betreuen 5632 Kilometer Gleise in der Region.

Bisher fällten sie zwischen 500 und 1000 Bäume im Jahr, sagte Landrock. Wie viele es in Zukunft sein werden, lasse sich nicht vorhersagen. Dabei muss sich auch die Bahn an die erlaubten Zeiten halten: Fällen darf sie nur von Oktober bis Februar. Außer bei „Gefahr in Verzug.“ Dann ist schnelles Handeln nötig – und erlaubt. Auch auf Privatgrundstücken. Unabhängig von der Fällzeit finden die Kontrollen statt. Die Bäume, die dran glaauben müssen, werden notiert.

Birken, Eschen, Pappeln, Robinien und Weiden gehören zu den Sorgenbäumen

Wenig Kummer machen den „Bahnförstern“ dabei Eichen oder Kiefern. Sie gelten als stabil. Anders sieht es bei Birken, Eschen, Pappeln, Robinien oder Weiden aus. Sie müssen in der Regel weichen, damit die Züge fahren können.

Aber auch Fehler aus den vergangenen Jahren müsse man nun beseitigen, sagte Wolf-Peter Grünke. Er ist „Fachverantwortlicher Vegetation“ beim Bereich Netz der Bahn, der solche Titel für seine Mitarbeiter erfunden hat. Anfang der 1990er Jahre, als viele Strecken zwischen den einst getrennten Landessteilen aus- oder neu gebaut worden waren, habe man noch geglaubt, die Robinie sei ein Eisenbahnfreund und sie dicht an die Gleise gepflanzt. Heute wisse man es besser und müsse sie wieder entfernen.

Die Zusammenarbeit mit den Ämtern ist nach Grünkes Angaben gut. Für jeden gefällten Baum, der gemeldet werden müsse, muss die Bahn Ersatz leisten; meist in Form einer Ausgleichszahlung. Je nach Baum können das 200 Euro oder auch 6000 Euro sein, wie etwa bei einer stattlichen Eiche, sagte Landrock.

Besser vorbereitet hat sich die Bahn auch aktuell auf Stürme. Gibt’s eine Unwetterwarnung bilde man für sieben Bereiche des Netzes in Berlin jeweils ein Drei-Mann-Team, das trotz aller Vorarbeit doch umgestürzte Bäume schnell beseitigen könne, sagte Landrock.

Ganz leicht fällt ihm das Fällen nicht immer. Seit 2014 ist er bei der Bahn, hat unzählige Kontrollgänge absolviert. „Da kennt man schon die Vornamen der Bäume." Doch was sein muss, muss sein. Auch das Fällen.

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