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Berlin: Nelken für RAF-Mann

22 Jahre saß Terrorist Rolf Heißler in Haft – eine Ausstellung zeigt jetzt beschlagnahmte Post an ihn

Nelken, Liebesbriefe, Kinderbilder. Es sind unterschiedliche Dinge, die dem ehemaligen RAF-Terroristen Rolf Heißler in 22 Jahren Haft ins Gefängnis geschickt worden sind. Rund 2000 Sendungen hatten die Behörden damals beschlagnahmt – erstmals wird nun ein Teil von ihnen öffentlich ausgestellt. Ab Sonnabend werden in der Privatgalerie „after the butcher“ in der Lichtenberger Spittastraße in die Haftanstalt geschickte Dinge wie Zeitungsartikel und Wollsocken zu sehen sein. Rolf Heißler selber will sich am Sonntag den Fragen des Publikums stellen. Etwaige Proteste erwartet der Ausstellungsmacher nicht.

Heißler schloss sich während des Studiums den linksradikalen „Tupamaros München“ an. Wegen eines Banküberfall wurde er 1972 zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Durch die Entführung des Berliner CDU-Politikers Peter Lorenz freigepresst, floh er 1975 in den Jemen. 1976 kehrte er als RAF-Mitglied unerkannt in die Bundesrepublik zurück, erschoss auf der Flucht 1978 zwei niederländische Zöllner und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Heißler wurde 2001 entlassen. Kürzlich bezichtigte ihn das Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock, außerdem 1977 an der Ermordung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer beteiligt gewesen zu sein.

Der Staat, als auch jene Menschen, die dem RAF-Gefangenen etwas zusendeten, hätten auf Heißler „ihre eigenen Vorstellungen projiziert“, sagt Joachim Baur. Der Museumswissenschaftler, der in Berlin, Stuttgart und New York gearbeitet hat, hat die Ausstellung organisiert.

Über eine Bekannte sei Baur auf die beschlagnahmten und später freigegebenen Sendungen an Heißler gestoßen. Der Staat habe offenbar in den banalsten Geschenken eine Bedrohung gesehen. Ein geflochtenes Armband sei etwa wegen „unerlaubter Nachrichtenübermittlung“ konfisziert worden. Aber auch Sendungen von Sympathisanten verrieten viel über die Absender. „Zahlreiche Leute haben sich in ihren Briefen an Heißler mit sich selber befasst“, sagt Baur. Mit der Ausstellung wolle er dem Publikum die Bedingungen der Isolationshaft ebenso deutlich machen wie die Versuche, sie zu durchbrechen.

Die beschlagnahmten Stücke bezeugen für den Ausstellungsmacher die Wirkung der Isolation auf den Häftling, die „Ausgrenzung sinnlicher Wahrnehmung“. Zahllose Beschwerden von Heißler an die Anstaltsleitung und ein Ordner, in dem der Gefangene sämtliche Beschlagnahmen notiert und kommentiert hatte, wertet Baur „als Widerstand, als eine Kontrolle der Kontrolle“. Die Inhalte der beschlagnahmten Postsendungen spiegeln ebenfalls die politischen Debatten der 80er und 90er Jahre: Hausbesetzungen, Friedensbewegung, Proteste gegen Volkszählung.

Am Sonntag werde sich Heißler zwar zu den Haftbedingungen und dem „bewaffneten Kampf“ äußern. Die Vorwürfe von Boock wolle er jedoch nicht kommentieren, sagt Baur. Hannes Heine

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