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Am Freitag und Samstag sind in Berlin unzählige Demonstrationen angekündigt (Symbolbild). 

© imago images/Christian Spicker

Update

Neonazis, Corona-Skeptiker, Linksautonome: Was Freitag und Samstag an Demos auf Berlin zukommt

Am 2. und 3. Oktober wird in Berlin eifrig demonstriert: Corona-Skeptiker, Verschwörungsideologen, Neonazis und Linke rufen zu Protesten auf. 

Rund um den Tag der Deutschen Einheit sind in Berlin zahlreiche Demonstrationen angekündigt. Am 2. Oktober riefen unter anderem Kritiker der Corona-Politik, Verschwörungsideologen und Rechtsextreme ab 15 Uhr zu einer Kundgebung am Platz der Republik auf, die Demo wurde schließlich vom Veranstalter beendet. „Der Versammlungsleiter hat soeben die Demo auf dem Platz der Republik beendet, da er keinen Einfluss auf seine Teilnehmenden hatte und die Covid-19-Bestimmungen weiterhin nicht eingehalten wurden. Er kam damit einer polizeilichen Auflösung durch unsere Kollegen zuvor“, teilte die Polizei auf Twitter mit. (die aktuellen Entwicklungen lesen Sie hier in unserem Demo-Blog). 

Anmelder ist die selbsterklärte „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“, auch Mitglieder der „Querdenken“-Bewegung rund um Michael Ballweg sind angekündigt. Angemeldet waren bei der Polizei 200 Personen.

Ebenfalls am 2. Oktober wollen Linksautonome ab 18 Uhr ab dem S-Bahnhof Frankfurter Allee in Friedrichshain unter dem Motto „Deutschland ist Brandstifter“ gegen die Feierlichkeiten anlässlich des Tages der Deutschen Einheit demonstrieren.

Am 3. Oktober selbst haben Rechtsextreme des sogenannten „III. Weges“ einen Aufmarsch mit rund 100 Teilnehmern angemeldet, der Protestzug soll von 14 bis 20 Uhr dauern. Start ist am S-Bahnhof Wartenberg in Hohenschönhausen. Die rechtsextreme Kleinstpartei „Der III. Weg“ wurde 2013 von ehemaligen NPD-Kadern und Mitgliedern aus früheren Neonazi-Kameradschaften gegründet. Sie steht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.

Schwerpunkte der Parteiarbeit liegen in thüringischen Städten wie Erfurt und Eisenach, dem sächsischen Plauen und Siegen in Nordrhein-Westfalen. Auch in Berlin sind die Rechtsextremen seit 2015 aktiv.

Für die Demo in Hohenschönhausen am 3. Oktober wird bundesweit mobilisiert

Der Brandenburger Ableger wird nach Informationen des antifaschistischen Rechercheplattform „Register Berlin“ von dem Neonazi Maik Eminger geführt, dessen Bruder in die Mordserie des NSU involviert war und vor zwei Jahren wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.

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Die Demonstration in Hohenschönhausen steht unter dem Motto „Ein Volk will Zukunft! – Heimat bewahren, Überfremdung stoppen, Kapitalismus zerschlagen!“. Es wird bundesweit mobilisiert, die angemeldeten 100 Teilnehmer könnten übertroffen werden. Erwartbar ist die Präsenz von gewaltbereiten sächsischen und thüringischen Kadern der Partei, die teilweise eng mit den lokalen Kampfsportszenen vernetzt sind.

Während die Splitterpartei auf politischer Ebene mit Ausnahme von einigen wenigen Vertretern in der Kommunalpolitik bislang kaum Bedeutung erlangte, sorgen die Rechtsextremen durch öffentlichkeitswirksame Auftritte wie Demonstrationen und Protestaktionen immer wieder bundesweit für Aufmerksamkeit.

So marschierten am 1. Mai 2019 mehr als 500 Kader des „III. Weges“ mit einem Fackelzug durch das vogtländische Plauen und griffen dabei auch Pressevertreter an. Im gleichen Jahr protestierten circa 20 Neonazis der Partei mit einer homophoben Kundgebung unter dem Motto „Familien schützen! Homo-Propaganda stoppen“ gegen den parallel stattfindenden Christopher Street Day in Erfurt.

Gegendemonstrationen in mehreren Bezirken angemeldet

Dem Aufmarsch stellt sich breiter Protest entgegen: In Hohenschönhausen, aber auch in angrenzenden Ortsteilen Lichtenbergs, in Köpenick, Pankow und Friedrichshain sind über 30 kleinere und größere Demonstrationen gegen Rassismus, Neonazis und speziell den „III. Weg“ angemeldet. Auch in Spandau soll gegen Neonazis demonstriert werden.

Unter den Protestaktionen finden sich auch Blockadeaufrufe antifaschistischer Gruppen. Das „Berliner Bündnis gegen Rechts“ teilte in einem Statement mit: „Wir werden nicht zulassen, dass Berlin zu einem zentralen Aufmarschort von Neonazis und Rassist*innen wird. Mit vielfältigem Protest und Blockaden werden wir den Nazis keinen Meter überlassen.“ Gleichzeitig weisen die Aktivisten darauf hin, dass die gängigen Corona-Maßnahmen wie das Tragen einer Gesichtsmaske und das Abstandhalten auch bei eventuellen Blockade-Aktionen berücksichtigt werden sollen.

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Parallel wollen auch am 3. Oktober verschiedene Gruppen vorwiegend in Mitte gegen die Corona-Regeln demonstrieren. Darunter erneut Verschwörungsideologen, Reichsbürger und Rechtsextremisten. So soll um 14 Uhr am Brandenburger Tor eine Kundgebung des sogenannten „Demokratischen Forums“ starten. Als Redner wird unter anderem der verschwörungsideologische Buchautor Thorsten Schulte aufgeführt, der lange zu den führenden Köpfen der „Querdenken-Bewegung“ gehörte und nun nach internen Zerwürfnissen bei den „Querdenkern“ mit eigenen Mitstreitern durch die Bundesrepublik tourt. So stand Schulte letztes Wochenende mit dem ultrarechten AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Räpple auf einer Bühne in Mainz.

Räpple rief in seiner Ansprache zum „gewalttätigen Umsturz des Systems“ auf und wurde daraufhin von der Baden-Württemberger Landtagsfraktion der AfD ausgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Mainz leitete außerdem Ermittlungen gegen Räpple ein.

Auf der Wiese vor dem Reichstag soll wieder demonstriert werden

Auch die „Corona-Rebellen Berlin“ und die rechtsextreme Vereinigung „Patriotic Opposition of Europe“ rufen zu einer Demonstration am Tag der Deutschen Einheit auf. Konkret soll auf der Wiese vor dem Reichstagsgebäude protestiert werden. Die Berliner „Corona-Rebellen“ waren einer der ersten Gruppierungen, die in der Hauptstadt gegen die Covid-19-Maßnahmen der Bundesregierung demonstrierten.

Galten sie im Frühling noch als vergleichsweise gemäßigt, kann man in ihren internen Chatgruppen eine stetige Radikalisierung beobachten. Erst vor wenigen Tagen wurde der Name der Bewegung in „Civil Rebels Berlin“ geändert. Zur Begründung hieß von einem der Initiatoren der Gruppe: Der Weg wird härter, strenger und nicht jedem gefallen, aber mit Luft und Liebe werden wir unsere Freiheit nicht erkämpfen können!“ und darüber hinaus „Uns muss bewusst sein, dass ein jeder etwas für seine Selbstbestimmung riskieren muss!“

Für Aufmerksamkeit sorgte auch ein in zahlreichen Telegram-Gruppen verbreiteter Flyer, der zu einer „Neuauflage der Feier auf den Volkstreppen“ in Anlehnung an die Stürmung der Reichstagstreppen am 29.08. durch Rechtsextremisten und Reichsbürger, am 3. Oktober aufruft. Unklar ist wer Urheber des Aufrufs ist. Mutmaßlich ist das Poster aber zum ersten Mal im Umfeld des Reichsbürgers Rüdiger Hoffmann aufgetreten, auf dessen Kundgebung am 29.08. mehrmals zur „Stürmung des Reichstages“ aufgerufen worden ist.

Mittlerweile hat sich Hoffmann von dem erneuten „Stürmungs“-Aufruf via Telegram distanziert. Man wolle eine „friedliche Revolution“ und „lieber auf die Alliierten warten, um befreit zu werden“, so der ehemalige NPD-Kader Hoffmann.

In Friedrichshain wollen Linke und Linksautonome „Chaos stiften“

Am 3. Oktober ab 21 Uhr wollen Linke und Linksautonome in Friedrichshain „Chaos stiften“: Rund um den Samariterplatz und die Rigaer Straße soll gegen die für den 9. Oktober geplante Räumung des besetzten Hauses „Liebig 34“ protestiert werden. Dazu wird bundesweit mobilisiert. So kündigten unter anderem Antifa-Gruppen aus Hamburg und Dresden ihr Kommen in Solidarität mit dem linken Hausprojekt an.

Der Berliner Polizei informierte währenddessen direkte Anwohner des Friedrichshainer Nordkiezes über die zu erwartenden Sperrmaßnahmen bezüglich der für den Freitag nächster Woche angekündigten Räumung der Liebigstraße 34. So soll im Umkreis der besetzen Häuser eine regelrechte Sicherheitszone eingerichtet werden, in der schon zwei Tage vor der Räumung nur Anwohner unter Berücksichtigung ihrer Ausweisdokumente hereingelassen werden.

Die Berliner Polizei wird das komplette Wochenende mit über 2700 Einsatzkräften im gesamten Stadtgebiet präsent sein. Darunter auch unterstützende Einsatzkräfte aus sieben anderen Bundesländern sowie der Bundespolizei. Ein Polizeisprecher teilte dem Tagesspiegel mit, dass man alleine am Samstag 70 verschiedene Aufzüge begleiten werde.

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