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Berlin: Neu eröffnete Gefängnisklinik bleibt vorerst leer

Hospital in Plötzensee mit Keimen belastet Häftlinge schreiben Protestbrief an Wowereit

Die Zellen in Berlins Gefängnissen sind überfüllt, selbst für kranke Häftlinge fehlt es an ausreichend Platz. In mehreren Justizvollzugsanstalten werden Zellen provisorisch als Krankenzimmer genutzt. Zumindest damit sollte nach der Fertigstellung des neuen Haftkrankenhauses Plötzensee Schluss sein. Die Klinik war am 24. Januar von Justizsenatorin Gisela von der Aue „feierlich eröffnet“ worden. Nun räumte die Justiz ein, dass die 125 Betten auch fünf Wochen nach der „Eröffnung“ noch nicht bezogen seien. Dem Vernehmen nach gebe es ein Problem mit Keimen in den Wasserleitungen. Damit setzt sich die Kette von Pannen in diesem Krankenhaus fort. Im Oktober war bekannt geworden, dass der Bau ein weiteres halbes Jahr später fertig wird als vorgesehen, weil alle Toiletten wegen Mängeln wieder herausgerissen werden mussten. Von der Aue sei über die neue Verzögerung „sehr ungehalten“, heißt es.

Die Situation in den überfüllten Gefängnissen verschärft sich unterdessen. 40 wütende Häftlinge der JVA Plötzensee haben jetzt eine Protestresolution unterschrieben und diese an den Regierenden Bürgermeister und die Justizsenatorin geschickt. Darin heißt es: „40 weitere Insassen sollen in das Haus 4 verlegt oder besser ,hineingepfercht‘ werden.“ In den neun Quadratmeter großen Einzelzellen sollen ab 5. März jeweils zwei Männer untergebracht werden. „Eine solche Belegung ist rechtswidrig“, schreiben die Gefangenen und drohen damit, dass „das Kostenrisiko für das Land Berlin“ steige. Wie berichtet, haben Gerichte in anderen Bundesländern Häftlingen Entschädigung zugesprochen, wenn sie zu zweit in kleinen Einzelzellen untergebracht waren. Die Berliner Justiz sieht diese Gefahr – anders als Rechtsanwälte – jedoch nicht. Doppelbelegung bei Gefangenen im offenen Vollzug sei nicht rechtswidrig, sagt eine Sprecherin. Bereits im Februar hatten 60 Gefangene aus Tegel gegen die Doppelbelegung protestiert.

So liegt die Belegung in Tegel derzeit bei 112 Prozent. Neu ist, dass auch das Frauengefängnis mit 124 Prozent belegt ist. Anfang 2006 betrug die Auslastung nur 95 Prozent. Spitzenreiter ist weiterhin die Jugendstrafanstalt mit einer Überbelegung von 128 Prozent.

Zu Jahresbeginn hatte die Belegung in Tegel „nur“ 108 Prozent betragen – trotz der Weihnachtsamnestie. Der Leiter der JVA Tegel, Klaus Lange-Lehngut, hatte in einem Interview vor zwei Wochen eingeräumt, dass „durch die Überbelegung und die gemeinschaftliche Unterbringung das Aggressionspotenzial gestiegen“ sei. Und Lange-Lehngut warnte, dass „der Zeitpunkt möglicher erheblicher Gefährdung von Sicherheit und Ordnung der Anstalt immer näher rücke“. Angesichts dieser Krise fordern die Grünen, mehr Gefangene nach zwei Dritteln ihrer Strafe zu entlassen. Derzeit sind es in Berlin nur etwa zehn Prozent, im Bundesdurchschnitt sind es 19 Prozent. „Berlin ist trauriges Schlusslicht“, sagt Benedikt Lux von den Grünen: „Immer mehr Gefangene sitzen bis zum bitteren Ende.“ Der Abgeordnete meint dies im Wortsinne: Wie berichtet, war Mitte Februar ein schwer kranker 56-Jähriger in der JVA Tegel gestorben. Dieser hatte vorher in einem Brief die Senatorin über seine lebensbedrohende Situation informiert. Ein 64-Jähriger, der seit 35 Jahren in Haft ist, sagte gestern: „Ich will hier nicht sterben.“ Jörn Hasselmann

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