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NEU IN BERLIN: Keiner hasst Zuzügler mehr als alte Zuzügler

Keiner hasst Zuzügler mehr als alte Zuzügler.

Von Andreas Oswald

Zuzügler und Gentrifizierer sind immer die anderen. Niemand hasst die Zuzügler mehr als die Zuzügler von gestern, die sich als Einheimische aufspielen. Das war schon im alten West-Berlin so. Acht Jahre lebte ich in Berlin, es waren die 80er Jahre, und trieb mich vor allem im Chamisso-Kiez herum, meiner damals neuen Heimat. Dann ließ ich mich dort ein Jahr lang nicht mehr blicken, weil ich eine Freundin in Wilmersdorf kennengelernt hatte. Das war damals politischer Hochverrat. In einem Anfall von Heimweh lief ich wieder mal am Chamissoplatz rum. Alle Gesichter waren neu, Publikum und Bedienung in Kneipen, Buch- und Weinläden komplett ausgewechselt. In einen Laden gehe ich schließlich hinein, hier hatte ich immer die guten Leute getroffen. Der Typ an der Kasse war neu, sein Gesicht hatte ich früher nie gesehen. Er musste irgendwann in den letzten zwölf Monaten hierher gezogen sein. Mit der Pose des Einheimischen, der hier Platzhirsch ist und entscheidet, wer dazugehört und wer nicht, musterte er mich von oben bis unten kritisch. Irgendwie sah er mir wahrscheinlich an, dass ich seit einem Jahr eine Freundin in Wilmersdorf hatte. Herablassend fragte er mich, seit wann ich denn Kreuzberger sei. Wo er herkam, war deutlich zu hören. Er redete schwäbisch.

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