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Alles in Farbe. Der Neubau des Bundesministeriums für Bildung und Forschung am Kapelle-Ufer 1, an der Spree.

© Doris Spiekermann-Klaas

Neubau in Berlin: Bundes-High-Tech-Ministerium

Wasserstoffzelle im Keller, Stromerzeugung in der Fassade, Kita, Kantine und Yoga-Zimmer - das neue Forschungsministerium an der Spree ist fertig.

Dass in Berlin fast kein Neubau rechtzeitig fertig wird und wenn endlich doch, dann grundsätzlich mehr kostet als geplant, erfreut besonders solche Verantwortliche, denen eben dies nicht widerfährt. Gut gelaunt war Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, schon aus diesem Grunde, als sie einen Pulk von Berichterstattung durch den gerade fertig gestellten Neubau am Kappelle-Ufer führte.

Nach zweieinhalbjähriger Bauzeit sei der Neubau "im Zeit- und Kostenrahmen" fertig gestellt worden und dazu noch das "erste zivile Hochbauprojekt des Bundes in ÖPP". Das klingt nach Zukunft (und ein bisschen nach Raumfahrt), ÖPPs galten aber eigentlich als Modell der Vergangenheit. Denn die Aufgabenteilung in solchen Bündnissen aus öffentlichen Verwaltungen und privaten Unternehmen (öffentlich-private Partnerschaften) endete in den 2000er Jahren auffällig oft so, dass die Privaten ein richtig gutes Geschäft machten, das die öffentliche Hand richtig teuer bezahlte, ohne so richtig glücklich mit dem Ergebnis zu sein.

Schöne Aussichten. Der Blick aus einem Büro der Bundesbediensteten.
Schöne Aussichten. Der Blick aus einem Büro der Bundesbediensteten.

© Doris Spiekermann-Klaas

Private bauen billiger, heißt es

Das Gegenteil ist nun beim Bildungsministerium der Fall. Vielleicht weil die Bildungsministerin eine Christdemokratin ist und den wirtschaftsnahen Konservativen ein Faible für diese Modelle nachgesagt wird. Vielleicht aber auch, weil Johanna Wanka, Mathematikerin von Hause aus, einfach nur penibel nachgerechnet hat und auch die Bauüberwachung nicht schleifen ließ. Jedenfalls versichert ihre Staatssekretärin, dass der 58.000 Quadratmeter große Bau dank des Bündnisses "9,5 Prozent günstiger als ein Eigenbau" gekommen sei. Nachrechnen freilich kann das wohl niemand.

173 Meter lang ist die Front an der Spree

Wer vor dem Gebäude steht, blickt auf eine 173 Meter lange Front, die den Spreebogen durch einen sanften Schwung nachzeichnet. Die Fassade ist zwischen den bürohaustypischen, schmalen Fensterausschnitten mit grünem Stein verkleidet. Der Baustoff kommt aus Österreich - und nicht wie bei vielen anderen Neubauten aus China, weil es dort billiger ist. "Nachhaltigkeit" war ohnehin das Leitmotiv für Planung und Realisierung dieses Bundesbaus - "und wer die Abbaubedingungen in chinesischen Steinwerken kennt, der lässt auch im Baumarkt die Finger von chinesischen Baustoffen", sagt Architekt Christian Pelzeter, der auch im Inneren des Ministeriums europäische Lärche eingesetzt hat, etwa für die zentrale Treppe neben der Kantine.

Dreifaltigkeit. Die dunklen Elemente sind Fotovoltaik-Zellen zur Stormerzeugung, die hellen Recycling-Glas, die grünen Steinelemente aus Österreich.
Dreifaltigkeit. Die dunklen Elemente sind Fotovoltaik-Zellen zur Stormerzeugung, die hellen Recycling-Glas, die grünen Steinelemente aus Österreich.

© Doris Spiekermann-Klaas

Grün statt berlintypischer Sandstein? Ja, denn der Baumeister beruft sich auf das Grün aus Goethes Farbenlehre, aus der er die Kennung der fünf Stockwerke des Neubaus ableitet: Auf rot folgt gelb und blau - und ganz im Bildungsauftrag, den das Ministerium gleichsam in Stein nun meißelt, stehen außerdem noch Persönlichkeiten aus der Kulturgeschichte Pate auf den einzelnen Geschossen: "Ich geh' dann mal zu Montessori", rufen sich die Beamten künftig vielleicht zu, wenn sie ins Gelb markierte erste Geschoss aufsteigen (ob da wohl die Schulbeamten untergebracht sind?). Und sie müssen jedenfalls nicht befürchten, sich zu verirren in den immergleichen Büroetagen, denn das Dritte gehört Melanchthon und ist grün markiert.

Eine einsame Mitarbeiterin winkt

"Ich bin echt", ruft eine vereinzelte Mitarbeiterin im vierten Stock, die bereits in den leer wirkenden Neubau eingezogen ist und aus ihrer Bürozelle dem Pulk zuwinkt, der sich an ihrem Raum vorbeidrängt in Richtung Musterbüro. Das ist 22,5 Meter breit und hat eine Bürolampe, die von der Firma eigens für dieses Ministerium entwickelt wurde und immer dafür sorgt, dass der elektrisch höhenverstellbare Schreibtisch genau 500 Lux hell beleuchtet wird. Und damit nicht gar so viel Strom den Zähler zum Glühen bringt, hat Architekt Pelzeter außerdem die Jalousien zur Verschattung der nach Süden gehenden Räume so programmieren lassen, dass die oberen Lamellen separat geöffnet werden können.

Jetzt erklären Sie mal schnell die Brennstoffzelle

Der ganze Stolz des Teams um Projektleiterin Angelika Block-Meyer ist allerdings in einem der wenigen geschlossenen Höfe in dem Neubau zu finden: Ein Glaskasten, der einen tiefen Einblick in den Keller erlaubt, wo die Brennstoffzelle steht. "Jetzt erklären Sie kurz mal bitte die Technik", wird einer der Verantwortlichen gebeten. Der zieht sich beachtlich souverän aus der Affäre: Erdgas wird dort in einem elektrotechnischen Prozess in Strom umgewandelt und die dabei entstehende Wärme vom hauseigenen Blockheizkraftwerk für die Beheizung oder die Kühlung des Gebäudes verwendet. Autos, die mit Brennstoffzellen angetrieben werden, sind eher selten, Bürohäuser mit der Technik wohl eine echte Rarität. Aber wir haben es hier ja mit dem Forschungsministerium zu tun - und da will man schließlich auch zeigen, was im Wirtschaftswunderland so geht. Wirtschaftlich rentabel dürfte die Technik ebenso wenig sein wie die Solarzellen, die auf dem Dach und sogar auf der Fassade Sonnenstrahlen einfangen, um sie in Strom umzuwandeln. Im Jahr sollen so 100 Kilowattstunden zusammen kommen. Das soll immerhin ausreichen, um fünf bis zehn Prozent des Stromverbrauchs im Gebäude zu decken.

Kunst am Glas. Blick vom Foyer in die ministeriale Kantine.
Kunst am Glas. Blick vom Foyer in die ministeriale Kantine.

© Doris Spiekermann-Klaas

Ein bisschen Show muss schon sein, technische Leistungsschau, was man politisch korrekt auch so formulieren könnte: Was (an diesem Neubau) ökologisch nachhaltig ist, muss es nicht unbedingt auch ökonomisch sein. Ästhetisch ist der Neubau nicht der ganz große Wurf. Zumal der Architekt die Wirkung der dunkleren Solarpaneele, die sich von der überwiegend grün verkleideten Fassade abheben, durch hellere Elemente aus - Achtung, Nachhaltigkeit - Recycling-Glas zu mildern sucht. Wer's mag...

Der Duft von Linsensuppe

Der Duft von Linsensuppe erfüllt den Durchgang zum zweiten Gebäudeteil - ein Mitarbeiter im Blaumann trägt eine Schüssel durchs Haus. Eigentlich ist die Kantine noch gar nicht geöffnet, die durch eine lange Glasfront vom zentralen Treppenhaus abgegrenzt ist, auf dem in schwungvoll geführter Schrift der Sinnspruch prangt: "Man kann nicht alles wissen." Kunst ist das und gehört zu den vier ausgewählten aus 319 eingereichten Arbeiten - ebenso wie die zehn Meter lange schwarze Tafel, auf der Computer mit weißer Kreide technische Zeichnungen wegweisender Erfindungen zaubern sowie ein Spiel von Lichtdioden auf einer schwarzen Glasfront.

Und noch etwas: Beim Bund genießt auch das "Gesundheitsmanagement" zur Entlastung der Mitarbeiter besondere Wertschätzung. Bis zu zehn Kinder haben Platz in der ministeriumseigenen Kita, es gibt einen Yogaraum und ein "Pendler-Zimmer". Das steht für die Mitarbeiter aus Bonn bereit, falls die mal wieder in Berlin reinschauen. Meist sehen sie ihre Kollegen auf der Mattscheibe: Video-Konferenzen wurden übrigens auch zwischen den drei Dienstsitzen in Berlin geschaltet, auf die die Berliner Bediensteten bisher verteilt waren. Das ist bald Vergangenheit. Dies gilt dagegen nicht für die Aufgabenverteilung mit der Bundesstadt am Rhein. An der wird vorerst nicht gerüttelt. "Wir stehen voll und ganz zum Bonn-Berlin-Gesetz", sagt Staatssekretärin Quennet-Thielen. Aber immerhin, da geht irgendwann schon noch was: Nur etwa die Hälfte der Fläche in dem Neubau nutzt das Ministerium selbst, die andere Hälfte wurde schon mal vorsorglich gebaut, um notfalls alle Mitarbeiter an der Spree zusammenzuführen. Ein wenig dauern wird das aber schon noch. Die bundesfremden "Untermieter" haben Mietverträge mit einer Laufzeit von zum Teil zehn Jahren.

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