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Für den Gedenkstättenchef Hubertus Knabe ist ein neues Exponat besonders wichtig.

© Georg Moritz

Neue Ausstellung ab Herbst: Restauration im einstigen Stasi-Knast

Die Tapete wurde eigens nachgedruckt: Im einstigen Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen wird das Büro des Gefängnisdirektors restauriert. Aufwendig wird jedes Detail der Zentrale nachempfunden – und wer die neue Ausstellung im Herbst besucht, kann ein Geheimnis des Direktors erfahren.

Vor dem einstigen Stasi-Gefängnis in der Genslerstraße von Hohenschönhausen stehen acht Reisebusse. Die Fahrer langweilen sich. Sie warten auf ihre Gäste, die hinter grauen Mauern verschwunden sind. Die Busse kommen aus allen deutschen Landen mit Schülern und Touristen, für die der Besuch der Gedenkstätte zur emotionalen Erfahrung während ihres Berlin-Trips geworden ist: „Hier haben wir einen Eindruck von dem schauerlichen Teil unserer jüngsten Geschichte“, sagt ein Junge aus Duisburg nach seinem Besuch im Stasi-Knast, einer Visite, „die einem lange nicht aus dem Kopf geht“.

Mehr als 350 000 Besucher zählt die Einrichtung mit der konservierten Gefängnisangst, die die Stasi nirgendwo größer verbreitete als hier – in diesem Ort der Unfreiheit, hinter Schloss und Riegel, unter bedrohlichen Wachttürmen.

Ab September soll es im einstigen Leitungsbereich eine neue Dauerausstellung geben; ein langgestreckter Raum wird mit fünf „Themeninseln“ bestückt, die „elementare Erfahrungen der Häftlinge“ widerspiegeln, erzählt Kurator Tobias Voigt. Zeitzeugen berichten per Video von ihrem Schicksal in den Fängen des DDR-Staatssicherheitsdienstes, man sieht eine Zwangsjacke, erfährt, welche Geheimnachrichten die Häftlinge einst hinterlassen haben. Und man kommt dem Schauspieler Heinrich George näher, wenn man die Jacke des nach dem Krieg im sowjetischen Speziallager 3 in Hohenschönhausen inhaftierten und danach in Sachsenhausen verstorbenen Vaters von Götz George in einer Vitrine entdeckt.

Für den Gedenkstättenchef Hubertus Knabe ist ein neues Exponat besonders wichtig. Dabei ist es schon in seiner Seltsamkeit einmalig und irgendwie auch verstörend: das Zimmer des Leiters der Gefängnisabteilung. Der Raum wird derzeit detailgetreu restauriert und erinnert ein wenig in seiner Anordnung an die Büroflucht von Minister Erich Mielke, die man in der ehemaligen Stasi-Zentrale an der Normannenstraße besichtigen kann. Erschreckend bieder.

Der einstige Gefängnisdirektor Siegfried Rataizick, hier auf einem Archivbild von 1981, konnte sich mit seiner Telefonanlage „Diva“ direkt zu Stasi-Chef Erich Mielke durchstellen lassen. Im Hintergrund sieht man sein Büro, das nun gerade wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt wird.
Der einstige Gefängnisdirektor Siegfried Rataizick, hier auf einem Archivbild von 1981, konnte sich mit seiner Telefonanlage „Diva“ direkt zu Stasi-Chef Erich Mielke durchstellen lassen. Im Hintergrund sieht man sein Büro, das nun gerade wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzt wird.

© Georg Moritz

In Hohenschönhausen, am Ort der gepeinigten Opfer, gibt es gewissermaßen einen Bonsai-Mielke zu besichtigen: Im ersten Raum des früheren Gefängnisleiters wurden Kaffee und Tee von der Sekretärin gekocht, die nebenan saß, daneben erstreckt sich das Chefzimmer, von dem aus Oberst Siegfried Rataizick das Gefängnis in Hohenschönhausen und weitere 16 Haftanstalten in den Bezirken der DDR befehligte. Ein Überbleibsel aus jener Zeit war ein Monatskalender von 1989 mit dem aufgeschlagenen Dezember-Blatt; dann war auch für den Genossen Oberst, der seit 1951 dem MfS angehörte, der Dienst mit Schild und Schwert der Partei vorbei.

In den neunziger Jahren wurden in den Räumen Filme gedreht und dabei Teile des Interieurs verändert. Aber in der Stasi-Unterlagen-Behörde lagern Fotos, mit denen die Restauratoren arbeiten konnten: Auf einigen Bildern, vor allem auf Schnappschüssen vom hochdekorierten Oberst an seinem 50. Geburtstag 1981, sind zahlreiche Details des ursprünglichen Chefzimmers zu erkennen, etwa Tapeten, Gardinen, Teppiche, Heizungsverkleidung und Schrankwand samt Inhalt hinter Glas.

Der braunpolierte Schreibtisch misst zwei Meter, daneben steht nun wieder die Telefonanlage namens „Diva“, mit der man den Chef Erich Mielke gleich an der Strippe hatte. 35 000 Euro kostet die Restaurierung der „Höhle des Löwen“, wie Hubertus Knabe das nennt. "Hier saß der Mann, der die Befehle unterschrieb und alles koordinierte. Wir möchten diesen Raum unbedingt zeigen.“ Und sei es mit einer groß gemusterten Tapete, die nun nach dem Foto-Original neu gedruckt wurde.

Im Herbst sollen der Raum und die neue Dauerausstellung gezeigt werden. Dann können sich die Besucher über ein bizarres Detail im Chef-Büro des Stasi-Täters wundern: Hinter dem Schreibtisch versteckt sich, als Teil der Schrankwand getarnt, eine Geheimtür zum Schlafraum des Chefs, der, ehe er in den Schlaf kam, auf Monitor-Wänden „seine“ Gefangenen, aber auch die Wachleute beobachten konnte.

Horch und Guck im eigenen Haus – Hubertus Knabe spricht von einer Riesen-Puzzlearbeit bei der Rekonstruktion. Ist dieser Aufwand für ein Bürozimmer nötig? „Ja, es ist wichtig, den genauen Eindruck jener Schaltzentrale zu vermitteln, wo alle Fäden zusammenliefen.“

Andere Ausstellungsstücke liegen dem Gedenkstätten-Chef aber weit mehr am Herzen: Da ist der durchlöcherte Helm des Polizisten Paul Anlauf, der von Erich Mielke 1931 auf dem Bülowplatz von hinten erschossen wurde. Und eine Reihe von Geheimnachrichten mit frechen Botschaften der Häftlinge als Zeugnis ihrer Selbstbehauptung.

Siegfried Rataizick, über 80 Jahre alt, wohnt unweit der Haftanstalt im einstigen Sperrgebiet. Hubertus Knabe sagt: „Er ist ein Unbelehrbarer geblieben und rechtfertigt alles, was damals geschah, lehnt jedes Gespräch ab, ist aber in Vereinen ehemaliger Stasi-Mitarbeiter aktiv.“ Die Eröffnung des Chef-Zimmers wird wohl ohne den Genossen Oberst a. D. stattfinden.

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