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Tarzan und Jane? Nein, Sebastian Schwendner und Martin Schuffenhauer vom neuen Neuköllner „Dschungel“.

© Mike Wolff

Neue Filmbar in Berlin-Neukölln: Der Dschungel für Cineasten

Zwei Neuköllner Wirte haben ihre eigene Version des legendären West-Berliner Clubs eröffnet. Umgeben von Fototapeten mit Dschungeloptik sollen Cineasten künftig ihrem Hobby fröhnen.

„Wer weiß, vielleicht ist hier mal ein Flugzeug abgestürzt“, sagt Martin Schuffenhauer beim Gang durch seine Bar. Er lehnt sich an einen der Baumstämme, die vom Boden bis an die Decke reichen und mit grünen Plastikblättern umwunden sind. „Oder wir finden hier seltsame Überreste einer untergegangenen Zivilisation.“ Die Plastikranken wurden von Schuffenhauer und seinem Geschäftspartner Sebastian Schwendner im gesamten vorderen Bereich angebracht. Demnächst ist der hintere Teil der Bar an der Reihe und Schuffenhauer sinniert, was dort alles zum Vorschein kommen könnte. Den beiden schweben Hängebrücken vor, Lianen und weiteres Grünzeug.

Berlin hat wieder einen „Dschungel“. Den Namen ihres Urwalds in Neukölln haben Schuffenhauer, 41, und Schwendner, 30, angelehnt an den legendären West-Berliner Club in Schöneberg, der vor mehr als 20 Jahren schloss, Gäste wie David Bowie und Iggy Pop hatte und im NDW-Song „Wir steh’n auf Berlin“ von Ideal verewigt wurde („Mal seh’n, was im Dschungel läuft/Musik ist heiß, das Neonlicht strahlt/Irgendjemand hat mir 'nen Gin bezahlt“) . Im Original-Dschungel ist Martin Schuffenhauer als Jugendlicher selbst noch gewesen. „Da standen vielleicht vier Töpfe mit ’ner Palme rum“, sagt er. Ihm und Schwendner aber war klar: Ihr Dschungel sollte wuchern. Auf die Tropenatmosphäre legen die beiden großen Wert.

Genau wie darauf, die Einrichtung direkt vom Schrottplatz zu beziehen – ebenso wie in ihrer „Filmkunstbar Fitzcarraldo“, die Kneipe und Avantgarde-Videothek, die sie seit zwei Jahren um die Ecke betreiben. Deren Kurzfilmabende und Filmclub-Veranstaltungen sollen jetzt in den Dschungel abwandern und dort eine weitere Plattform für Filmfans bieten.

Punkphilosophie und Axolotl

Die Punkphilosophie hätten sie mit dem alten Dschungel gemein, meint Martin Schuffenhauer. „Du hast nicht viel Geld, dafür aber Ideen“, so habe er das auch im neuen Dschungel gehalten. Sei seine „Filmkunstbar“ mit ihrem Glitzer und Klimbim eine Kombination aus „Müll und Asia-Markt“, sagt Schuffenhauer, dann sei der Dschungel eine Kombination aus „Müll und Waldrodung“. Immerhin haben die Dschungel-Macher sich mehrere Axolotl geleistet. Die kleinen mexikanischen Schwanzlurche sitzen jetzt am Boden des Aquariums, das neben der Bar vor sich hinplätschert.

Die großen Spiegelstücke an der Decke stammen ebenfalls vom Müll. Sie lassen die Blättergirlanden noch weiter in den Himmel wachsen. An der Wand kleben Fototapeten mit Urwaldoptik. Dem Pop- Sound der Filmkunstbar wollen die Betreiber, „passend zum Voodoo- Flair“, Blues, Jazz und Soul entgegensetzen.

Erwachsen ist die Idee zur neuen Bar in einem Probenraum, den beide für ihre gemeinsame Band nahe der Filmkunstbar hatten. Eines Tages schleppte Schuffenhauer ein paar Baumstämme an. Irgendwann kam die Urwaldtapete hinzu, die jemand im Internet bestellt hatte. So wuchs dort „unser kleiner Privatdschungel“, wie sie ihn nennen. Als die Bandproben immer häufiger zu gemeinsamen Filmabenden wurden, dann zu gemütlichen Umtrünken und schließlich zu ausgelassenen Festen, beschlossen sie, dass sie einen neuen Ort für ihren Urwald bräuchten.

Liebesgeschichten, Cyborgs und Aliens

Alle künftigen Veranstaltungen kündigen sie auf ihrer Webseite an. Zudem baut Martin Schuffenhauer hier ein Netzwerk für Filmfreaks auf. Jeder kann sich auf der Webseite Filmempfehlungen abholen oder selbst ein Profil erstellen. Als „cinegeek1“ erstellt Schuffenhauer Tipp-Listen. Sie sind eingeteilt nach Genres aber auch nach Kriterien wie Filme mit Zeitreisen, Filme mit seltsamen Liebesgeschichten, Cyborgs oder Aliens. 1000 Listen habe er schon erstellt, schätzt Schuffenhauer.

Er hat einen ziemlich genauen Plan davon, wie es weitergehen soll. „Ich verliere langsam aber sicher die Videothek“, sagt er. Schließlich werde in einigen Jahren kaum noch jemand Interesse daran haben, DVDs auszuleihen. Deshalb baut er das Netzwerk auf und möchte langfristig daraus einen Filmverleih machen.

Zunächst steht jetzt der Ausbau des hinteren Dschungel-Bereichs an. Martin Schuffenhauer stellt ihn sich „so tarzanmäßig“ vor. Oder wie im Film „Die Blaue Lagune“. „Nur Disneyland-mäßig wollen wir nicht werden“, sagt Schwendner. Als er im Vorbeigehen ein Stück Klebeband von der Wand entfernt, reißt er ein Stück von der frisch angebrachten Tapete mit ab. Aber das ist hier offenbar egal – Hauptsache die Ideen gehen nicht aus und es entsteht etwas Neues im Dschungel.

„Dschungel“, Friedelstraße 12, Neukölln, täglich ab 20 Uhr, „Filmkunstbar Fitzcarraldo“, Reichenberger Straße. 133, Kreuzberg, täglich ab 14 Uhr, www.cinegeek.de

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