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Neue Flugrouten: Scharfe Kritik in Potsdam

Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) hat das bisherige Verfahren rund um den künftigen Großflughafen Berlin Brandenburg International (BBI) scharf kritisiert.

Potsdam - Es sei „abenteuerlich“, dass ein Flughafen genehmigt werde, „bei dem noch keine Flugrouten feststehen“, sagte er gestern Abend bei einer ersten Informationsveranstaltung der Stadtverwaltung zu diesem Thema in Potsdam. „Bedauerlich“ sei es zudem, dass der maßgebliche Akteur des Verfahren, die Deutsche Flugsicherung (DFS), nicht für Informationstermine zur Verfügung stehe, sagte Jakobs unter lautem Beifall von mehr als 300 Bürgern.

Der Streit um die Routen startender und landender Maschinen am BBI bringt seit September Tausende Bürger in der Hauptstadtregion auf die Barrikaden. Der Flughafen soll im Juni 2012 eröffnet werden. Den bisherigen Planungen zufolge liegen Sacrow und Bornstedt in der Abflugzone, die Landeshauptstadt zugleich teilweise in der Anflugzone.

„Wir liegen für Potsdam in einem Bereich, in dem keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu befürchten sind“, sagte Christian Maschke vom Landesumweltamt. Seine Einschätzung verdeutlichte er mit Tabellen eines „Worst Case“-Szenarios, in dem Potsdam von der Startbahn Nord des BBI aus zwischen 6 und 22 Uhr täglich rund 80 Mal von Maschinen verschiedenen Typs überflogen würde. Bei diesen Abflügen vom BBI würde der durchschnittliche Dauerschallpegel bei rund 46 Dezibel liegen. Bei den konkreten Überflügen würden den Berechnungen zufolge Werte bis 67 Dezibel erreicht – das gilt als wesentlich lauter als ein Fernseher bei Zimmerlautstärke.

„Der Einzelüberflug wird gehört“, sagte Maschke. Dies könne auch den Schlaf beeinträchtigen, so der Lärmexperte. Allerdings lägen die „typischen“ Werte für die berechneten Potsdam-Überflüge bei rund 58 Dezibel – was Lärmtabellen zufolge knapp der Zimmerlautstärke eines Fernsehers entspricht. In Städten, in denen es schon Lärm gebe, würde das kaum wahrgenommen. „Doch wo es jetzt ruhig ist, werden auch solche Werte nicht untergehen“, so Maschke auf Nachfrage aus dem Publikum. Bei den Anflügen würden die Lärm-Werte allerdings „deutlich“ niedriger liegen.

Das alles reichte Markus Peichl nicht. Der Sprecher der Bürgerinitiative „Weltkulturerbe Potsdam“ e.V. drohte mit Klagen vor den Verwaltungsgerichten, sollten die Planungen nicht zurückgenommen werden. „Sie sollten sich nicht wünschen, dass es dazu kommt“, wandte er sich an Rainer Bretschneider, Staatssekretär im für den BBI zuständigen Infrastrukturministerium. Dieser hatte zuvor erklärt, er halte das Verfahren für rechtssicher. Peichl begrüßte einen Alternativvorschlag für eine Routenführung entlang der Westgrenze von Potsdam. Doch dieser Vorschlag werde wohl „leider“ nicht wirtschaftlich umsetzbar sein. So fürchte er, dass bei einem neuen Flugroutenkonzept vor allem Potsdam betroffen sein werde. „Dagegen werden wir aber Tag und Nacht kämpfen“, kündigte er an.

Am heutigen Mittwoch wird das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg erst einmal seine Entscheidung über Klagen zur östlichen Schienenanbindung von BBI verkünden. Der Berlin-Brandenburgische Bahnkundenverband wehrt sich juristisch gegen den Neubau einer 4,7 Kilometer langen zweigleisigen Trasse, die vom Flughafenbahnhof in östlicher Richtung durch den Bohnsdorfer Erholungswald führen und südlich des S-Bahnhofs Grünau auf die Strecke Berlin–Cottbus treffen soll, die sogenannte Görlitzer Bahn. Dieser Abschnitt ist so gut wie fertig, Ostern könnte hier bereits mit dem Testbetrieb begonnen werden. In der zweiten Klage fordert die Gemeinde Eichwalde Schallschutzmaßnahmen an der Görlitzer Bahn. Sie verweist auf das vermehrte Verkehrsaufkommen auf der Strecke zum neuen Flughafen. (mit dapd)

H. Kramer

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