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Neue Richtlinie geplant: Beschneidung könnte wieder möglich sein

Der Berliner Justizsenator will eine Richtlinie erarbeiten lassen, mit der Beschneidungen wieder legal durchgeführt werden. SPD-Fraktionschef Saleh erwartet, dass die anhaltende Debatte muslimischen und jüdischen Eltern zu denken geben wird.

Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) strebt eine Richtlinie für die Staatsanwaltschaft im Umgang mit rituellen Knabenbeschneidungen an. „Wir hoffen, in den nächsten Wochen eine Regelung für die Berliner Strafverfolgungsbehörden zu finden“, sagte Heilmann dem Tagesspiegel am Donnerstag. „Betroffene Familien und Ärzte sollen wissen, was in diesem Zusammenhang in der gegenwärtigen Übergangszeit bis zur geplanten bundesrechtlichen Lösung erlaubt ist und was nicht.“ Die Senatsverwaltung sei derzeit in Gesprächen mit Verbänden und Interessengruppen. Die juristische Einordnung sei allerdings ein schwieriges Thema, sagte Heilmann.

Anzeigen oder ein Ermittlungsverfahren wegen einer religiösen Beschneidung gibt es nach Auskunft der Senatsjustizverwaltung derzeit nicht. Mit einer Handlungsanweisung für Strafverfolger könnte sichergestellt werden, in welchen Fällen zu ermitteln oder aber ein mögliches Verfahren einzustellen ist. Ausgelöst hatte die Diskussion ein Urteil des Landgerichts Köln, das den Eingriff aus religiösen Gründen für strafbar erklärt. Der Bundestag verabschiedete nach Protesten jüdischer und muslimischer Verbände eine Resolution, Knabenbeschneidungen im Hinblick auf die Glaubens- und Religionsfreiheit sowie die Rechte der Eltern grundsätzlich zu ermöglichen.

Die Behörden in den meisten Bundesländern haben sich bislang noch nicht auf Richtlinien für ihre Staatsanwaltschaften verständigt. Eine Ausnahme bildet Baden-Württemberg. Dort soll die rituelle Beschneidung weiter straffrei bleiben, wenn sie medizinisch korrekt ausgeführt wird. Die Generalstaatsanwaltschaften in Stuttgart und Karlsruhe hatten angekündigt, in solchen Fällen auch in Zukunft nicht zu ermitteln, sondern die gesetzliche Regelung abzuwarten.

Das Jüdische Krankenhaus in Wedding hatte nach dem umstrittenen Urteil des Kölner Landgerichts alle Operationen gestoppt, bald könnte es aber auch dort wieder rituelle Knabenbeschneidungen geben. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) will mit den Strafverfolgungsbehörden eine einheitliche Umgangsweise bei Strafanzeigen nach einem solchen Eingriff verabreden. Dem Tagesspiegel sagte er am Donnerstag, die rechtliche Einordnung des Eingriffs sei zwar problematisch. Grundsätzlich sind die Ermittler aber befugt, sich auf eine einheitliche Linie festzulegen. Dass dies in Berlin auf ein Totalverbot hinausläuft, ist eher unwahrscheinlich.

Die Berliner Jüdische Gemeinde hat rund 10.000 Mitglieder, und Kinder sollen nach religiösem Gebot unmittelbar nach Geburt beschnitten werden; aber die Beschneidung gehört auch zum religiösen Ritus der Muslime. Bei ihnen reagierten ebenfalls viele nach dem Kölner Urteil verunsichert. Sollte Heilmanns Richtlinie nun religiöse Beschneidungen grundsätzlich ermöglichen, so wären voraussichtlich zumindest medizinisch fachgerecht ausgeführte Eingriffe unter örtlicher Betäubung oder unter Vollnarkose – wie bei Kindern üblich – erlaubt.

Der Kölner Richterspruch hat außer für den entschiedenen Einzelfall keine juristische Bedeutung. Allerdings ist unter Ärzten und Juristen seit mehreren Jahren umstritten, ob die Operation allein aus religiösen Motiven ähnlich wie die weibliche Genitalbeschneidung eine strafbare Körperverletzung darstellt. In jüngerer Zeit mehren sich die Stimmen, die dies so sehen. Die Bundesregierung arbeitet derzeit allerdings an einem Gesetz, das die rituelle Beschneidung für straffrei erklären soll.

Der Berliner SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh, sagte am Donnerstag, es sei davon auszugehen, „dass der Bundestag am Ende die Beschneidungen zunächst einmal rechtlich zulassen wird“. Zugleich erwartet Saleh, dass die Diskussion zu einem Bewusstseinswandel innerhalb der Religionsgemeinschaften führen wird. „Ich denke, dass durch die Debatte viele muslimische und jüdische Eltern darüber nachdenken, ob sie an ihrem Kind bereits früh nach der Geburt einen solchen Eingriff vornehmen lassen.“

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