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Berlin: Neue Richtlinien: Ausländer sollen in den Klassen unter sich bleiben

Die Schulverwaltung will die reinen Ausländer-Förderklassen attraktiver machen, um sie von ihrem "Schmuddel-Image" zu befreien. Gelockert werden soll die Verpflichtung, Förderklassen nach zwei Jahren zugunsten von gemischten "Regelklassen" aufzulösen.

Die Schulverwaltung will die reinen Ausländer-Förderklassen attraktiver machen, um sie von ihrem "Schmuddel-Image" zu befreien. Gelockert werden soll die Verpflichtung, Förderklassen nach zwei Jahren zugunsten von gemischten "Regelklassen" aufzulösen. Dies ist ohnehin mangels deutschsprachiger Kinder oftmals gar nicht möglich. Außerdem soll die Stundentafel der Förderklassen verbessert und noch mehr Deutschunterricht angeboten werden. Die Bündnisgrünen lobten das Vorhaben als "wichtigen ersten Schritt". Schulen befürchten allerdings, dass ausländische Familien kein Verständnis dafür haben, wenn man ihren Kindern die "Sprachvorbilder" entzieht.

Bisher gibt es in Berlin nur 1300 Schüler in 177 Förderklassen. Eigentlich müssten es viel mehr sein, denn Förderklassen sind laut Verordnung schon dann einzurichten, wenn mehr als ein Viertel der Kinder wegen sprachlicher Defizite dem Unterricht nicht folgen kann. Diese Voraussetzung ist an vielen Schulen gegegeben: Über 50 Schulen bestehen inzwischen mindestens zur Hälfte aus Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache, etliche von ihnen haben einen Anteil von über 70, vereinzelt sogar über 80 Prozent.

Hier konzentrieren sich die rund 55 000 ausländichen Schüler, darunter die Hälfte mit türkischem Pass. Mangels flächendeckender Sprachtests - sie sollen aber bald eingeführt werden - weiß die Schulverwaltung allerdings nicht genau, wie gut diese Kinder Deutsch sprechen. Deshalb kann sie auch nicht sagen, wie viele Förderklassen es eigentlich geben müsste.

Schulsenator Klaus Böger (SPD) setzt jetzt an mehreren Punkten an, um den Förderklassen mehr Akzeptanz zu verschaffen. Wenn eine Schulen ihre Förderklassen "aus demographischen und schulorganisatorischen Gründen" nicht auflösen will, kann sie sie "legal" weiter laufen lassen und braucht die Klassenstärke auch nicht auf die reguläre Zahl von 24 bis 29 Schülern anzuheben. Stattdessen ist eine Frequenz von 20 Schülern erlaubt, die dann auch noch zusätzlich fünf Wochenstunden Förderunterricht "Deutsch als Zweitsprache" erhalten.

Zum anderen bekommen die Förderklassen eine bessere Stundentafel als bisher: zwei Stunden mehr Deutsch und Englisch, außerdem eine stärkere Fächerdifferenzierung. Somit nähert sich die Stundentafel derjenigen von Regelklassen an, was ebenfalls den Übergang ins normale Schulleben erleichtern soll.

Die neuen Richtlinien, denen der Senat noch zustimmen muss, seien immerhin der "Versuch anzuerkennen, dass es Probleme gibt", so der Kommentar aus der Kreuzberger Niederlausitz-Grundschule. Es fehle aber weiterhin ein Gesamtkonzept, bemängelt Schulleiterin Heidi Kölling. Sie erwartet "große Probleme" mit nicht deutschsprachigen Eltern, wenn mehr reine Ausländerklassen eingerichtet werden und die wenigen deutschen Kinder - die "Sprachvorbilder" sind - in Extra-Klassen zusamengefasst werden.

Sie verweist aber noch auf ein weiteres Problem: Mit den kleineren Klassen und den zusätzlichen Stunden sei es nicht getan, wenn die Lehrer nicht besser für die Aufgabe vorbereitet seien. "Wir sind nicht qualifiziert genug, um Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten", lautet ihre traurige Bilanz nach 40 Jahren türkischer Einwanderung.

Aber auch bei diesem Problem ist Abhilfe in Sicht. Nachdem jahrelang bei der Lehrerfortbildung für "Deutsch als Zweitsprache" ("DAZ") gespart wurde und der Rahmenplan veraltete, soll das Fach jetzt aufgewertet werden. Die drei Universitäten erarbeiten Vorschläge, damit "DAZ" bereits in die erste Ausbildungsphase der Lehrer integriert wird. Insbesondere Oberschullehrer ignorierten, dass Schüler mit Sprachdefiziten anders unterrichtet werden müssten als deutsche Kinder, begründert eine Expertin der Schulverwaltung die Notwendigkeit einer Reform der Lehrerausbildung. Noch in dieser Legislaturperiode soll sich etwas bewegen.

"Endlich wird begriffen, dass man nicht so weitermachen kann", lobt Özcan Mutlu von den Bündnisgrünen. Er fordert zudem zweisprachiges Personal für Kitas und Schulen als "Brückenbauer" für die Kinder.

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