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Neue Seiten: Bücherbuden statt Bestseller

Filialist Hugendubel wird sich verkleinern. Viele spezialisierte Kiezläden können sich dafür auf dem Markt behaupten, wie Beispiele aus Kreuzberg und Prenzlauer Berg zeigen.

Die großen Fische fressen die kleinen – das mag für viele Branchen gelten, offenbar aber nicht für den Berliner Büchermarkt. Nachdem bekannt wurde, dass Hugendubel seine Filiale an der Tauentzienstraße in der jetzigen Form nicht wird halten können, zweifeln Branchenkenner inzwischen auch am Erfolg der Läden in der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg und in den Neuköllner Arcaden. Dort wolle Hugendubel dem Vernehmen nach aus dem Mietvertrag raus. Das Unternehmen bestätigte dies nicht. Dass Filialen regelmäßig auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft würden, sei ein normaler Vorgang, teilte die Buchkette mit.

Wen man auch fragt, ob Händler oder Leser, immer heißt es: In den großen Ketten gingen die Menschen „unbewusster und schneller einkaufen“, und genau das könnten sie auch im Internet. Online-Versandhäuser wie Amazon oder Ebay machen bekanntlich eher mehr als weniger Umsätze. Wer Spezielles sucht, nimmt sich auch mehr Zeit. Juliane Felsmann von der kleinen Buchhandlung „Die Insel“ in der Greifswalder Straße erzählt, dass ihre Kunden ein gewisses Kiezgefühl in ihren Laden führe – und: „Manchmal gehen die Leute ja auch zum Lebensmittelkauf nicht in den Supermarkt, sondern den Delikatessenladen.“

Rund 300 Buchhandlungen gibt es in der Stadt – und es werden nicht weniger. Dass große Ketten zuweilen Schwierigkeiten haben und sich kleine Läden auch wegen ihrer Spezialisierung oft erstaunlich lange behaupten, bestätigt auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Der „Buchbox“-Laden im Bötzowviertel ist erst ein Jahr alt und gewinnt stöbernde Väter und lesende Jungmütter durch viel Familienliteratur – was in der kinderreichen und kaufkraftstarken Gegend offenbar passt. „Die Kundschaft kennt sich ziemlich gut in vielen Werken aus“, sagt Anna-Sophie Gondermann, die gerade zur Buchhändlerin ausgebildet wird. Kein Wunder, in wenigen Kiezen dürfte die Dichte an kulturaffinen Akademikern so hoch sein wie dort, wo „Buchbox“ auch seine drei weiteren Filialen hat: Kastanienallee, Kollwitz-Kiez in Prenzlauer Berg und in der Grünberger Straße in Friedrichshain. Im Laden in der Kastanienallee habe man übrigens mehr Postkarten im Angebot – wegen der zahlreichen Touristen.

Vom Trend zu bewussterem Bücherkauf erhofft man sich auch bei „Schwarze Risse“ etwas. Die dazugehörigen Läden in der Kastanienallee und der Kreuzberger Gneisenaustraße wurden auf der Suche nach konspirativ hergestellten Zeitschriften der linken Szene schon mehrfach von der Polizei durchsucht, hoffen aber auf mehr Nachfrage nach kritischer Literatur. „Viele Kunden kommen auch aus anderen Stadtteilen zum Stöbern zu uns“, sagt eine Verkäuferin. Ein weiterer Gegenentwurf zu den Ketten: der Trendbuchladen „Pro qm“ am Rosa-Luxemburg-Platz. Die Händler kommunizieren gezielt auf Facebook und bieten weder Bestseller noch Belletristik, sondern ausgewählte Sachbücher an: „Pro qm“ ist auf Design, Architektur und Kunst spezialisiert. „Die Idee ist, mit vielen Lesungen und Veranstaltungen eine Plattform zu bieten, da wir keine der gewöhnlichen, verkaufsoptimierten Ketten sind“, erklärt ein Mitarbeiter. Der Trend zur Nische dürfte auch „Lehmanns Fachbuchhandlung“ geholfen haben, die bei angehenden Medizinern auch wegen ihrer Nähe zur Technischen Universität sehr beliebt ist. Elke Thiede aus dem „Lehmanns“-Laden in der Friedrichstraße ist sich sicher, dass die Ausrichtung auch funktioniert, weil „Lehmanns“ nicht nur gedruckte Bücher anbietet: „Die Nachfrage nach elektronischen Medien wächst.“ Zusätzlich versuche man, durch Standorte in Hochschulnähe das richtige Publikum anzusprechen. Allerdings ist „Lehmanns Fachbuchhandlung“ eher ein Großer unter den Kleinen: Immerhin gibt es 35 Filialen in 25 Städten.

Mehr Problemen muss sich die „Marga Schoeller Bücherstube“ stellen. Der kleine Laden in der Knesebeckstraße existiert seit 80 Jahren. „Wir kämpfen fürchterlich“, sagt Buchhändler Thomas Rodig. „Letztlich sind es Stammkunden, die uns halten und einen kleinen Laden um die Ecke zu schätzen wissen. Das Problem sind nicht so sehr andere Läden, sondern eher das Internet.“

Bei Hugendubel an der Tauentzienstraße herrscht am Freitagmorgen übrigens Vollbetrieb. Kunden streifen durch den Laden, trinken Kaffee im hauseigenen Bistro und liegen in der blauen Ledercouch mit Bänden in der Hand. Dass im kommenden Jahr damit Schluss sein soll, ärgert Käufer und Belegschaft. „Das ist ein Riesenverlust für den Westen der Stadt“, sagt Kundin Marianne Janzen. „Eine große Schweinerei. Wir hatten kürzlich eine Sitzung, auf der es hieß, alles sei noch offen. Nun wird wohl auf dem Rücken der Mitarbeiter nach dem größtmöglichen Profit gesucht“, empört sich eine Mitarbeiterin. Der Hugendubel-Leitung zufolge sollen der Belegschaft „alternative Beschäftigungsmöglichkeiten“ angeboten werden.

Was viele nicht wissen: Die 180 Berliner Hugendubel-Kollegen bekommen Tarif: Eine Vollzeitbuchhändlerin erhält im Schnitt 2100 Euro brutto im Monat. In vielen Kiezläden sind es keine 1500 Euro.

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