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John F. Kennedy vor dem Schöneberger Rathaus: Seine Rede bewegte Menschen in Ost- und West-Berlin.

© dpa

Neue Serie zum Kennedy-Jubiläum: Ich bin ein BERLINER

In 100 Tagen jährt sich die berühmte Rede von US-Präsident John F. Kennedy zum 50. Mal. Was bedeuten Kennedys Worte heute? Der Tagesspiegel fragt ab heute täglich Berliner nach ihrem Lebensgefühl.

Mal angenommen, man würde Berliner nur auf Antrag – man müsste also Fragen beantworten, um seine Eignung für die neue Rolle als Bürger dieser Stadt zu beweisen. Zugegeben, das wird aktuell von niemandem erwogen, aber so entlegen ist die Idee nun auch wieder nicht, man blicke nur auf die Vereinigten Staaten, wo Einwanderungswillige erst mal mit Wissensfragen belegt werden. Also mal angenommen, das gäbe es in Berlin: Was könnte man fragen?

Das Jahr der ersten urkundlichen Erwähnung? 1237. Zahl der Bezirke? Zwölf. Zahl der Flughäfen: 2 1/2. Mindestens eine Frage aber müsste auf den 35. US-Präsidenten zielen, auf John F. Kennedy. Nein, nicht sein legendäres „Ich bin ein Berliner“, das wäre zu einfach. Geeigneter wäre vielleicht die Bedeutung des F. Alt-Berlinern würde der zweite Vorname leicht von den Lippen rollen, aber wissen es alle gerade Zugereisten? Oder Jugendliche? Fragen wir lieber nicht.

Genau ein halbes Jahrhundert wird es am 26. Juni her sein, dass Kennedy die vor dem Rathaus Schöneberg versammelten Menschen und die Zuhörer am Radio mit seinem „Ich bin ein Berliner“ in jubelnde Begeisterung versetzte. Vom Mauerbau knapp zwei Jahre zuvor geschockt, hörten sie nun, dass der Präsident nicht nur gewohnte Garantieerklärungen für die Freiheit West-Berlins wiederholte, sondern sich kurzerhand zu einem der ihren erklärte. Berliner sein, das hieß nun: frei sein, jedenfalls in der westlichen Stadthälfte. Und auch im Ostteil der geteilten Stadt, ausgerufen zur Hauptstadt der DDR, strahlte Kennedys Optimismus ab auf die Menschen.

Was bedeuten Kennedys Worte heute? Wir fragen täglich Berliner nach ihrem Lebensgefühl. Hier der erste Teil unserer Serie.

Man muss lange suchen, bis man in der deutschen und besonders der Berliner Nachkriegsgeschichte Sätze findet, die dem gleichkommen. Klar, Reuters „Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“ war so ein Satz, oder – ins Negative verkehrt – Ulbrichts „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“. Das ist alles sehr lange her, hat sich zwar tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt eingenistet, aber im Alltag spielen die Grabenkämpfe des Kalten Krieges keine Rolle mehr. Und die Details des Besuchs von 1963 gehen dem individuellen, meist nur noch durch Bücher, Filme und Erzählungen gespeisten Wissen allmählich verloren. Trotz aller Erinnerungshilfen, die es gibt: den John-F.-Kennedy-Platz vor dem Rathaus Schöneberg etwa, nur drei Tage nach dem Mord von Dallas neu benannt, die John-F.-Kennedy-Schule in Zehlendorf oder das Museum „The Kennedys“ in der Auguststraße.

Aber Kennedys Satz ist nicht nur Vergangenheit, sondern kann zugleich Aufforderung sein, sich doch einmal selbst zu fragen, was es für einen persönlich bedeutet: Ich bin ein Berliner. Die Antwort wird wohl nicht ganz so pathoserfüllt ausfallen wie an jenem 26. Juni 1963. Es werden vielleicht banale, komische, sogar tragische Zufälle sein, die einen Menschen zum Berliner machen; womöglich dachte er erst „Nichts wie weg“, bis ihn die Stadt doch einfing. Spannend ist das auf jeden Fall, Erzählstoff aus dem Leben der Stadt – und nun Stoff für unsere heute startende, täglich bis zum Jubiläumstag erscheinende Serie „Ich bin ein Berliner“.

Von Tag zu Tag erzählen Berliner im Tagesspiegel, wie sie zu Bürgern dieser Stadt wurden, was dies für sie heißt und was ihnen Kennedys Satz persönlich bedeutet. Unterstützt wird das Projekt von Siemens. Und was nun das F. betrifft: Es meint natürlich Fitzgerald – ein ursprünglich irischer Name, Indiz für die europäischen Wurzeln der Kennedys.

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